Politik/Ausland

Corona: Madrid hofft auf Wunder, doch Skeptiker zweifeln

Spaniens Hauptstadt ist anders. Sogar vom „Wunder von Madrid“  ist die Rede, weil sich die 14-Tage-Inzidenz der Corona-Neuinfektionen seit Ende September halbiert hat. Nun rätseln alle, wie das möglich ist, zumal die autonome Region die Restriktionen  so gering wie möglich hält – außer in schwer betroffenen Zonen (14-Tage-Inzidenz über 500). Dafür hat die rechtskonservative Regionalregierung unter  Regionalpräsidentin Isabel Díaz-Ayuso viel Kritik abbekommen. Die sinkenden Zahlen sieht sie nun als Bestätigung für ihre Strategie.

Aber es gibt viele Spekulationen darüber, warum sich die Situation scheinbar bessert. Ein wichtiges Argument:  Madrid hat seine Teststrategie geändert. Man testet nicht mehr die engen Kontakte von positiven Fällen, wenn sie keine Symptome haben, Risikopersonen oder Mitbewohner sind. So sank die Zahl der PCR-Tests von  24.250 pro Tag Ende September auf 10.360 am 10. Oktober. Zugleich begann man, auf die billigeren und schnelleren Antigen-Tests zu setzten, die in der Statistik zunächst nicht aufschienen.  Als diese ab 11. Oktober dazugezählt wurden, sanken die Ansteckungszahlen zwar weiter, aber weniger stark.

Der Systembiologe Saúl Ares sieht in Antigen-Tests eine Chance, weil das Ergebnis schneller da ist. Andere sind skeptisch, und so ist unklar, inwiefern die Zahlen die reale Situation abbilden.

Weniger Einlieferungen ins Spital

Aussagekräftiger sind dagegen die Spitalseinlieferungen und die Belegung der Intensivbetten. Auch diese Zahlen sinken. „Allerdings müssen wir sehen, ob sich diese Tendenz in den kommenden Tagen und Wochen festigt. Denn das Niveau der Belegungen bleibt hoch und besorgniserregend“, sagt Miguel Ángel Royo vom Forschungsinstitut für öffentliche Gesundheit Carlos III. Am 11. November starben 28 Menschen, am 12. waren es 41, am 13. zwanzig und am Samstag 34.

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Am vergangenen regnerischen Wochenende waren die Straßen eher leer, die Lokale nur schlecht besucht. Dabei dürften die Madrilenen in Gruppen bis zu sechs Personen Restaurants besuchen. Erst ab Mitternacht bis 6 Uhr früh gilt eine Ausgangssperre. In Katalonien bleiben die Lokale hingegen eine weitere Woche geschlossen, die Andalusier müssen um 23 Uhr daheim sein und in Kastilien-Leon dürfen sich nur noch jeweils drei Personen mit einander treffen.

In Madrid wird alles lockerer gehandhabt. Einzig die Zonen mit einer 14-Tage Inzidenz von über 500 pro 100.000 Einwohner sollten weder betreten noch verlassen werden, wenn nicht unbedingt notwendig. Die Einhaltung ist aber nur schwer überprüfbar und am vergangenen langen Wochenende hat die Polizei 400 illegale Feiern in der Region aufgelöst.

Faktor Angst

Es fällt schwer, die sinkenden Zahlen politischen Entscheidungen zuzurechnen. Andere Theorien drehen sich um den Faktor Angst, der viele Menschen in Isolation hält oder um eine Teilimmunität, die laut einer Studie der Regierung bereits in Altenheimen erreicht ist.

Im Schnitt gehen in ganz Spanien die Infektionszahlen langsam zurück. Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei fast 220 – in Österreich bei 540. Doch die Stimmung in Spanien ist gedrückt.

Neue „Skandinavier“

Mit Galgenhumor spricht man darüber, wie man sich zu Skandinaviern entwickelt, die früh essen, früh daheim sind und sich nicht anfassen. „Das Gute ist, dass wir bald satanische Death-Metal-Bands gründen und ein Haufen Mitbürger obszöne und düstere Bestseller veröffentlichen“,schrieb ein Spanier auf Twitter.

Maren Häußermann, Madrid