Pakistanische Christin "will nur raus und in ein sicheres Land“
Von Stefan Schocher
Freiheit sieht anders aus. Aus der Haft wurde Asia Bibi entlassen, frei bewegen kann sich die pakistanische Christin aber keinesfalls. Denn wenn islamistische Hardliner auf die Straße gehen wegen ihr, sind es dieser Tage immer und immer wieder dieselben Botschaften die sie vor sich hertragen: „Asia Bibi muss hängen“, „Hängt Asia“, „Wir wollen die Todesstrafe für Blasphemie“. Und um ihre Forderung zu illustrieren, knüpfen sie Stoffpuppen an Laternenmasten auf. Sogar einen eigenen Hashtag haben die Islamisten in dem Fall kreiert. Und so sitzt Asia Bibi unter dem Schutz der pakistanischen Regierung in einem Versteck irgendwo im Land und setzt besser keinen Fuß vor die Tür. Dabei will sie laut Pakistan-Experten laut Shams Ul Haq, der in Kontakt mit der Familie steht, nur eines: „Mit ihrer Familie raus aus Pakistan in ein sicheres Land.“
Der Fall der 2010 wegen Blasphemie zum Tod verurteilten und Ende Oktober freigesprochenen Katholikin hat das Land an den Rand eines Aufstandes gebracht. Aus dem Westen kamen seither zahlreiche Aufrufe und Angebote, Asia Bibi und ihrer Familie Asyl zu gewähren. Kanada, Deutschland und Italien boten Hilfe an. In Österreich forderte Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn die Bundesregierung auf, in der Angelegenheit aktiv zu werden. Ebenso der Parlamentsclub „Jetzt“, vormals Liste Pilz. In einem Offenen Brief von 230 internationalen Parlamentariern (darunter zwei aus Österreich) wird die Regierung in Islamabad dazu aufgerufen, die Ausreise Asia Bibis zu gewähren. Passiert ist aber nichts. Weder auf internationaler Ebene, was die Asyl-Angebote angeht, noch in Pakistan selbst. Ul Haq sieht in dem Fall daher vor allem politisches Taktieren als tatsächliche Bereitschaft, Taten zu setzen. Und er vermutet auch, dass sich die pakistanische Regierung für eine Ausreise Asia Bibis Gegenleistungen erwarte.
Ul Haq sieht in dem Fall aber vor allem auch ein probates Mittel für Politiker, Kleingeld zu Machen. Andere Kritiker führen auch ins Rennen, dass es in Pakistan um die 40 ähnliche Fälle wie Asia Bibis gebe. Also Menschen, die wegen angeblicher Blasphemie zu langer Haft oder zum Tod verurteilt wurden. Das Geraune um Asia Bibi berge vor allem Risiko für die, um die kein Wirbel gemacht werden, kritisiert vor allem die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte. Weil Racheakte drohten.
Denn was der Fall der Christin so deutlich gemacht hat ist, wie schwach der Pakistanische Staat ist. Nach Aufhebung des Urteils gegen Asia Bibi durch das Höchstgericht hatten Islamisten der Partei Tehreek-e-Labbaik Pakistan (TLP) tagelang Straßen und Stadtzentren durch Proteste lahmgelegt. Schließlich hatten sich Regierung und TLP auf einen Deal geeinigt: Der TLP wurde zugesagt, gegen den Freispruch durch das höchste Gericht des Landes in Revision gehen zu können. Zudem versprach die Regierung der TLP, Asia Bibi an der Ausreise zu hindern. Formell wurde die Frau aber schließlich freigelassen – auch, wenn sie sich bis heute faktisch in der Hand der Behörden befindet, offiziell aber nur zu ihrem Schutz.
Laut ihrem inzwischen ins Ausland geflohenen Anwalt Saif-ul-Malook gibt es derzeit jedenfalls keine legalen Hindernisse für die Frau, auszureisen. Alles was es brauche, sei ein gültiges Visum.
Die TLP fühlt sich nun aber verraten, sieht den Deal mit der Regierung gebrochen und rief vergangenen Woche erneut zu Straßenprotesten auf. Der Chef der Partei, Khadim Hussain Rizvi wurde schließlich am Wochenende festgenommen und in einem Gästehaus der Regierung in Islamabad für 30 Tage unter Hausarrest gestellt. Die Folge waren neu aufflammende Proteste von TLP-Anhängern und in Folge Hunderte Festnahmen, Versammlungsverbote und erhöhte Polizeipräsenz in Städten
Shams ul-Haq sieht den neuen Premierminister des Landes, Imran Khan, dabei vor allem in dieser Krise als gelähmt. „Er kann nichts machen, ihm sind die Hände gebunden.“ Er habe Probleme innerhalb seiner eigenen Partei, könne in der Sache nicht alleine entscheiden. Schließlich spiele der Geheimdienst eine große Rolle in dem Land. Dabei ortet Ul Haq durchaus Willen bei Khan, die umstrittenen Blasphemie-Gesetze abzuschaffen.
Denn die dienen, wie zahlreiche Kritiker anmerken, vor allem einem Zweck: In Nachbarschaftsstreitigkeiten Rache zu üben. So sei es, so Ul Haq, auch Asia Bibi passiert: Sie hatte die Avancen eines Dorf-Imams zurückgewiesen, der hatte dann eine Intrige gegen die heute 51-Jährige Bäuerin, die weder lesen noch schreiben kann, gestartet. Ergebnis: Ein Todesurteil wegen Blasphemie.
Sie habe keine Ahnung, was mit ihr geschehe, so Ul Haq über Asia Bibis gegenwärtigen Zustand. Sie sei mit den Nerven am Ende. Sie sei abgeschirmt von der Welt und könne kaum ahnen, welches Spiel mit ihr gespielt werde. Ihre Kinder habe sie seit ihrer Freilassung kein einziges Mal gesehen. Ihr Mann habe sie nur ein Mal besuchen dürfen.
Was Pakistan-Kennern klar ist: In Pakistan hat Asia Bibi keine Zukunft. Früher oder später werden Islamisten die 51-Jährige in die Finger bekommen. Und dann droht, was die Radikalen bereits bei Protesten mit Puppen anschaulich illustrieren: Lynchmord. Derzeit, so Ul Haq, habe Asia Bibi vor allem einen Wunsch: Weihnachten zu feiern.