Politik/Ausland

Sorgt sich wegen Migration um eigene Tochter: Kritik an Cem Özdemir

Es sind persönliche Worte, die der Politiker Cem Özdemir in einem offenen Brief in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) wählt und mit denen er ein heikles Thema anspricht: Es geht um das Verhalten von Männern, die aus "patriarchalen Strukturen islamisch geprägter Länder" stammen, gegenüber Frauen.

Dafür erntete Özdemir stellenweise zwar Zuspruch, aber auch viel Kritik, insbesondere aus politischen Reihen.

Offener Brief aus Sorge um Tochter

Hintergrund: Der deutsche Bundeslandwirtschaftsminister hatte sich in einem Gastbeitrag für die FAZ vom 26. September für ein Umdenken in der Migrations- und Asylpolitik ausgesprochen. Einer seiner Beweggründe war die Sorgen um die Sicherheit seiner Tochter.

"Beim wahlentscheidenden Thema kommt es auf den Unterschied zwischen Aslysuchenden und Arbeitsmigranten an: Was wir Zuwanderern in diesem Land geben wollen – und was wir von ihnen fordern müssen," so die einleitenden Zeilen.

"Ein dickes Fell zugelegt"

Das Land habe "sich sehr verändert", schreibt er weiter. Dann berichtet der grüne Minister von unangenehmen Erlebnissen seiner Tochter in Berlin. "Wenn sie in der Stadt unterwegs ist, kommt es häufiger vor, dass sie oder ihre Freundinnen von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert werden."

Zwar habe sich seine Tochter, die im nächsten Jahr das Abitur macht, nolens volens "ein dickes Fell" zugelegt; er als Vater spüre aber, wie "sie das umtreibt", so Özdemir. Und dass sie enttäuscht sei, dass eines nicht offensiver thematisiert wird: "Die patriarchalen Strukturen und die Rolle der Frau in vielen islamisch geprägten Ländern."

"Änderungen an der Asyl- und Migrationspraxis"

Özdemir betont, dass die meisten Migrantinnen und Migranten sehr um die Integration in Deutschland bemüht seien, alles dafür tun würden. Gleichzeit fordert er, dass Erlebnisse wie jene seiner Tochter nicht ignoriert werden dürfen. 

Sein Appell: "Das liberal-progressive Lager ist gefordert, die notwendigen Änderungen an der Asyl- und Migrationspraxis umzusetzen, gerade weil es das glaubhaft ohne den Anschein falscher Beweggründe tun kann. Dazu gehört zuvorderst das Eingeständnis, dass sich die Asylpraxis des vergangenen Jahrzehnts immer mehr zu einem Recht des Stärkeren entwickelt hat." Denn: Es würden eben nicht nur die Verletzlichsten und Schutzbedürftigsten aus den Krisengebieten der Welt nach Deutschland kommen, sondern "in ganz überwiegender Zahl die Stärkeren, das heißt junge Männer."

Deutschland müsse das Thema Migration dringend angehen, damit eine Debatte darüber überhaupt wieder möglich werde, fordert er. "Wir müssen wissen, wer im Land ist. Wir müssen dafür sorgen, dass nur die im Land sind, die hier sein dürfen." 

Kritik an Cem Özdemir

Özdemir ist der erste deutsche Bundesminister mit türkischen Eltern. Dass ein grüner Politiker und Sohn türkischer Gastarbeiter mit derart expliziten Worten das Migrationsthema und damit verbundene Problematiken anspricht, hat für Aufsehen gesorgt – und auch für reichlich Gegenwind.

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, findet es "abstoßend, wenn jetzt die eigene Tochter für politische Zwecke instrumentalisiert wird", wie er gegenüber der Welt sagte. Und: Es sei "scheinheilig", wenn sich Özdemir als grüner Minister über die Folgen seiner eigenen Politik beklage, denn die Grünen hätten in den letzten Jahren eine restriktive Flüchtlingspolitik blockiert, "zum Beispiel bei der Einstufung der Maghrebstaaten als sichere Herkunftsländer."

Auch Erik Marquardt, Leiter der Grünen im Europaparlament, äußerte indirekt Kritik an Özdemir. "Die Grünen sind keine Partei, die sich mehrheitlich dazu entscheidet, rechten Narrativen hinterherzulaufen", wie Marquardt auf X (vormals Twitter) postete.

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Im Interview mit t-online sagte Marquardt, der sich seit vielen Jahren mit dem Thema Asyl beschäftigt, weiters: "Ich bin beim Grundtenor anderer Meinung als Cem Özdemir. Wir haben in den vergangenen Jahren in Europa keine lasche Politik der offenen Grenzen gemacht. Es war eine Abschottungspolitik, die sogar über rechtsstaatliche Mittel hinausgeht. (...) Schutzsuchenden wird an den Außengrenzen schon lange mit systematischer Gewalt und Zurückweisung begegnet."