Brexit-Durchbruch: Großbritannien und EU einig über Vertragstext
In hektischen Vier-Augengesprächen mit allen ihren Ministern machte Großbritanniens Premierministerin Theresa May Dienstag Nacht klar: Der Durchbruch bei den Scheidungsgesprächen zwischen Großbritannien und der EU ist gelungen. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die Unterhändler beider Seiten auf einen Vertragstext.
Was nun noch fehlt, ist die Zustimmung des bisher noch immer skeptischen britischen Kabinetts. Mindestens neun Minister im Team Mays gelten als europa-skeptisch. Mittwoch Nachmittag um 15 Uhr mitteleuropäischer Zeit kommt es deshalb in London zur entscheidenden Sitzung. Dann will May das grüne Licht ihrer Regierung zum geregelten Scheidungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU einholen. Wenn das Regierungsteam zustimmt, wird die EU-Kommission schriftlich mit der Nachricht verständigt: Das Abkommen für einen geregelten Austritt der Briten aus der EU steht.
Dieses Schreiben muss allerdings bis spätestens heute in Brüssel eintreffen. Denn nur dann hält die Frist, bis Monatsende einen EU-Sondergipfel einzuberufen. Bei diesem würden die europäischen Staats- und Regierungschefs den geordneten Brexit absegnen.
Die Nordirland-Frage
Der entscheidende große Schritt ist bereits Montag Nacht gelungen: Die europäischen und britischen Verhandler haben sich über das bis dato schwierigste Verhandlungsstück geeinigt – die Lösung der nordirischen Grenzfrage. Demnach wird vertraglich garantiert, dass es nach dem Brexit in keinem Fall mehr zu Grenzkontrollen zwischen der Republik Irland (EU) und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland kommen wird. Deswegen wird ganz Großbritannien – auf vorerst unbefristete – Zeit Mitglied der EU-Zollunion bleiben. Dies würde Zollkontrollen zwischen dem Norden und dem Süden der irischen Insel unnötig machen, zumal weiterhin beide Teile dem selben Zollraum angehören. Bei den britischen Anhängern eines radikalen Schnittes von der EU gilt freilich auch diese Lösung als „Verrat“.
Allerletzte Hürde
Die allergrößte Hürde muss das Scheidungsabkommen allerdings erst noch nehmen. Denn sowohl das EU-Parlament als auch das Parlament in London müssen dem Deal noch zustimmen. Premierministerin May wird dabei auf die Unterstützung der Labour-Opposition angewiesen sein. Fällt der Deal im Londoner Unterhaus durch, käme es zum schlimmsten aller Szenarien – einem harten Brexit.
Blümel-Reaktion: "Die letzten Meter sind oft die anstrengendsten"
"Auch wenn die letzten Meter oft nicht mehr viel erscheinen, sind sie dennoch oft die anstrengendsten." Das erklärte EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) am Dienstagabend. Er sei in regelmäßigem Austausch mit EU-Brexit-Chefverhandler Michel Barnier und "bereit jederzeit, einen Rat einzuberufen", ließ Blümel per Aussendung wissen. "Eine Einigung mit einem Vertrag ist - wie bei einer einvernehmlichen Scheidung - für alle Beteiligten die beste Lösung."
ie EU-27 seien über die bisherigen Verhandlungen hinweg gut von Chefverhandler Michel Barnier vertreten gewesen. Blümel: "Wir haben stets mit einer Stimme gesprochen."