Brasilien: "Kannst du sehen, wie groß unser Problem ist?"
In unserer Serie "E-Mail aus..." berichten Menschen von ihrem neuen Alltag in der Corona-Krise.
Wie es in Brasilien läuft? Schwer zu sagen. Wir stehen einer Pandemie gegenüber. Hier in Brasilien leben mehr als 13 Millionen Menschen in Armenvierteln, den Favelas, wo die Lebensqualität sehr niedrig ist, wo es keine Versorgung mit dem Nötigsten gibt, sauberes Wasser oder Kanalisation. Diese Menschen verdienen gerade einmal genug, um den Tag zu überleben, die meisten schwarz. Jetzt leben sie im Ungewissen.
Kannst du dir vorstellen, mit dieser neuen, unerforschten Krankheit in so einer dicht besiedelten Gegend zu leben?
Seit dem ersten Tag meines Medizinstudiums habe ich in öffentlichen Spitälern gearbeitet, mittlerweile als Facharzt. Es kommt selten vor, dass diese Spitäler nicht voll belegt sind, meistens sieht man Menschen, die in der Notaufnahme auf OPs warten. Oder Patienten, die am Gang in irgendwelchen Ecken behandelt werden, weil es keine freien Zimmer oder Betten gibt.
Kannst du sehen, wie groß unser Problem ist?
Unwissen und Ignoranz verschlimmern das ganze wohl noch. Die Menschen hier scherzen über das Virus. Einkaufszentren und Geschäfte sollen schließen. Aber davor machen sie einen riesigen Abverkauf! Naja, was wird dann passieren? Alle überrennen die Läden, damit sie ihre Prozente kriegen.
Menschen machen Musik auf der Straße, sie spielen mit dem Feuer. Das ist nicht normal, aber das ist halt Brasilien, Land des Karneval!
Mir persönlich geht es gut. Ich versuche ein bisschen Homeoffice zu machen, ins Krankenhaus gehe ich nur für Notfälle oder onkologische Operationen. Meine Frau und ich wechseln uns ab bei der Kinderbetreuung. Sie ist Ärztin in einer Klinik und lehrt auch, das kann sie von zuhause machen. Wir stärken jetzt unsere familiäre Bindung ;)
Keine Ahnung, was morgen oder in einer Woche passiert. Aber ich bin mir sicher, dass das Coronavirus bereits jeden hier in irgendeiner Weise trifft.
Dr. Fernando Campos Moraes Amato ist plastischer Chirurg in São Paulo, Brasilien.