Barcelona-Terror: Ein Urlaubsland im Schock
Es sind Bilder, die die Menschen in Spanien wohl nicht mehr vergessen werden. Ein Lieferwagen rast in Barcelona in die Menge, viele Menschen sterben. Wenig später werden 100 Kilometer entfernt fünf mutmaßliche Terroristen erschossen.
Das sonnige Spanien galt Millionen Touristen aus dem eher verregneten Norden Europas als verlockendes und vor allem sicheres Urlaubsziel. Keine politischen Unruhen oder gar Terroranschläge wie in der Türkei, Ägypten und Tunesien. Bis Donnerstagnachmittag, als ein junger Mann mit einem Miettransporter auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona mindestens 13 Menschen mit voller Absicht totfuhr und etwa 90 weitere zum Teil schwer verletzte. Nur wenige Stunden später werden in der Stadt Cambrils rund 100 Kilometer südwestlich von Barcelona fünf mutmaßliche Terroristen von der Polizei erschossen.
Alle aktuellen Informationen finden Sie im Live-Ticker
Schock auf Flaniermeile
Geschockt ist auch die ganze bisher so entspannte und in sich selbst ruhende Stadt. "Wie kann man so viel Hass in seinem Kopf haben, dass man Kinder überfährt, wofür wollte er sich denn rächen?", fragt Lorenzo und hebt hilflos die Arme. "Was immer dem Typen in seinem Leben widerfahren sein mag, so eine Tat ist einfach nicht zu verstehen." Mit seiner Frau wartet er seit Stunden darauf, wieder in seine Wohnung direkt am Ort des Anschlags gehen zu dürfen.
Todesfahrer noch immer nicht gefasst
"Es ist noch nicht sicher", wiederholen Polizisten auch nach Mitternacht noch gebetsmühlenartig, wenn sie Hunderte Anrainer und Touristen an den weiträumigen Absperrungen rund um den Anschlagsort stoppen. Der Todesfahrer, der nach seiner Bluttat zu Fuß flüchtete, ist noch nicht gefasst. Und südlich von Barcelona werden bei einer Polizeiaktion fünf mutmaßliche Terroristen getötet. Zehntausende Autofahrer sitzen auf allen Ausfallstraßen bis zu vier Stunden in kilometerlangen Staus, weil die Polizei an hastig errichteten Straßensperren Autor für Auto filzt.
Polizisten und Hotelangestellte ziehen mit Gruppen verunsicherter Urlauber durch die nächtlichen Straßen rund um den Anschlagsort, um ihnen sicheres Geleit zu ihren Hotels zu geben. Immer wieder versuchen einzelne, trotz der Flatterbänder durchzukommen, werden aber von energischen Polizisten verscheucht.
Touristen saßen fest
"Es sind nur 18 Meter bis zu unserem Hotel", sagt Juri aus dem russischen Krasnodar entnervt. "Aber sie lassen uns einfach nicht durch, immer wieder heißt es, vielleicht in zehn Minuten", erzählt er. "Es ist eine große Tragödie, so wie der U-Bahnanschlag in St. Petersburg. Wirklich sicher ist man nirgendwo mehr, es ist einfach eine Frage des Glücks", sagt Juri und wartet weiter vor dem Flatterband der Polizei. Überall sitzen und stehen Grüppchen von Menschen, diskutieren oder starren auf die gespenstische Szenerie.
Manche halten sich einfach nur fest in den Armen. Selbst Polizisten mit Maschinenpistolen legen verschreckten Passanten schon mal den Arm um die Schulter. Noch immer jaulen Krankenwagen an Schaulustigen vorbei, Blaulicht zuckt durch die Nacht. Ansonsten ist die Stadt ungewöhnlich leer, die Menschen haben sich in den Schutz ihrer Häuser zurückgezogen, Straßenfeste wurden abgesagt.
Verwirrung
Selbst, wer den Schrecken in Barcelona nicht unmittelbar erlebt hat, ist sehr verstört und verunsichert. "Ich kam gerade mit Freunden, die ein Baby dabei hatten, von einer Wohnungsbesichtigung", erzählt die Katalanin Sandra. Plötzlich sei ihnen ein Mann mit einem von Panik völlig entstellten Gesicht entgegengelaufen und habe gebrüllt: "Ein Terroranschlag". Die Menschen seien durcheinander gerannt, hätten sich in Läden und Restaurants geflüchtet. "Man weiß ja am Anfang gar nicht, was passiert ist, wo die Gefahr auf einen lauert, und mit einem Baby fühlt man sich noch verwundbarer", sagt die Frau.
Auch Judith und Augusto warten an einer Absperrung darauf, endlich in ihr Hotel zu dürfen. Sie sitzen auf dem Kantstein und sind froh, noch am Leben zu sein. "Nur 20 Minuten vorher waren wir da, wo der Anschlag war", erzählt die junge Mexikanerin.
"Wir sind ja viel Gewalt gewöhnt, Entführungen, Schießereien zwischen Drogenbanden, Auftragskiller und so, aber solche Anschläge wie hier gibt es in Mexiko nicht", sagt sie kopfschüttelnd. "Wir sind extra nach Spanien gekommen, um endlich mal in Ruhe Urlaub zu machen und nun dies", meint ihr Begleiter. "Und wo kann man denn nun noch sicher sein", fragt Judith. "Vielleicht auf dem Mond", antwortet sie sich selbst und zeigt auf den dunklen Himmel. Dort aber ist noch kein Mond zu sehen. Erst später taucht er über dem Horizont auf. Eine schmale, scharfe Sichel.