Automobil-Ausstellung in Frankfurt: Protest auf Beinen und Rädern
Das größte Auto an diesem Tag ist mitten unter den Demonstranten: Ein aufgeblasener Wagen, der auf dem Dach liegt und den Schriftzug „Verkehrswende jetzt“ trägt. Das ist auch die Forderung Tausender Menschen, die am Samstag in Frankfurt auf die Straße gegangen bzw. geradelt sind. Laut Veranstaltern, dazu gehören Organisationen wie Greenpeace, Naturfreunde, ADFC (Allg. Deutscher Fahrrad Club) und VCD (Ökologischer Verkehrsclub), sind es 7000 zu Fuß und 18.000 auf dem Fahrrad. Die Polizei spricht von 15.000 Teilnehmern. Darunter: Senioren, Studenten oder Familien.
Was sie eint, ist ein Ziel: Weniger Autos in der Stadt, mehr Infrastruktur für Rad- und Fußgängerwege und den Ausbau von Bus und Bahn. Dadurch soll der Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) gesenkt und die Erderwärmung gebremst werden.
„Nieder mit der Autokratie“, steht auf dem Transparent von Roswitha, die aus Baden-Württemberg kommt. Man habe sich zu lange nur auf das Auto fokussiert, das sei nicht nur schlecht fürs Klima. Auch die Lebensqualität der Menschen wird dabei außer Acht gelassen, kritisiert sie. „Es braucht mehr Grün- und Spielflächen für Kinder.“ Selbst in einem Bundesland mit grünen Ministerpräsidenten (In Baden-Württemberg regiert Winfried Kretschmer, Anm.), wäre man noch zu autofreundlich.
Eva aus dem Westerwald ist mit ihrem Mann und den Kindern per Mitfahrgelegenheit angereist. „Der Zug ist zu teuer“, sagt die Erzieherin, die mit den Öffis zu ihrem Arbeitsplatz in Konstanz doppelt so lange braucht, wie mit dem Auto. Der Nahverkehr müsse unbedingt ausgebaut und günstiger werden, findet sie.
Medizinstudentin Henrike, die in der Autostadt Stuttgart lebt, fordert ebenfalls billigere Tickets, damit mehr Menschen das Auto stehen lassen. Sie zahle „vergünstigt“ fürs Halbjahr 200 Euro. Dass eine Jahreskarte in Wien 365 Euro kostet, kann sie fast nicht glauben. „Put some fun beetween your legs“, hat Studentin Mira aus Köln auf ihr Plakat geschrieben. Sie fordert zudem mehr Investition in sichere Radwege - „für die Autoindustrie ist immer genug Geld da".
Deutlicher formuliert es ein Mann neben ihr: „Wech mit dem Blech“, so steht es auf dem Schild, das er zum Demo-Treffpunkt in die Innenstadt mitgebracht hat.
Das „Blech“, das er meint, sieht man an diesem Tag weniger in der gesperrten Innenstadt, dafür als Ausstellungsobjekt in der Messehalle, wohin die Demonstranten ziehen. Drinnen, wo die Internationale Automobilausstellung (IAA) stattfindet, staunen junge Männer über Autos, die sie sich wohl kaum leisten können, finden den Protest draußen „übertrieben“.
Die Krux mit den E-Autos
Andere fotografieren SUVs, in denen Menschen karussellartig Probe fahren und über künstlich angelegte Erdhaufen wackeln. „Wer fährt damit wirklich im Gelände?", fragt Michael aus Düsseldorf. Er sehe darin meist nur Mütter fahren, die ihre Kindern von der Schule abholen. Er selbst fährt Golf und ist hier, um sich über E-Autos zu informieren. Seine Bilanz: „Noch viel zu teuer.“ Auch die Batterie halte nicht lange, abgesehen davon fehlt es an Infrastruktur zum Aufladen.
Kanzlerin Angela Merkel versprach, deren Ausbau zu unterstützen, als sie vor wenigen Tagen die IAA besuchte. Gleichzeitig nahm sie die Autobauer in die Pflicht: Unzulässige Abschalteinrichtungen hätten mitten in einem Wandel der Mobilität zu einem Vertrauensverlust bei den Kunden geführt.
Manchen Demonstranten ist das zu wenig. Sie sind nicht von den E-Autos überzeugt bzw. komme es auch darauf an, woher diese den Strom beziehen, er müsse emissionsfrei produziert werden. Sie fordern von der Bundesregierung ein Klimaschutzgesetz, das Mobilitätsalternativen unterstützt. Merkel, die das Thema einst vorantrieb, dann aber vernachlässigte, kündigte eine wichtige Entscheidung für kommenden Freitag an.
Für Ute, Landschaftsgärtnerin aus Frankfurt, die „Mehr Grün für die Stadt“ auf ihrem Plakat fordert, wäre viel getan, wenn die Innenstädte autofrei würden. Hunderttausende pendeln nach Frankfurt, sagt sie. Der Stau auf den Autobahnen sei enorm.
Nur nicht gestern. Da waren Autobahn-Abschnitte für Radfahrer gesperrt, die aus mehreren Teilen Deutschlands anradelten und mit Klingeln vor der IAA einzogen. Manche von ihnen standen schon um 5 Uhr früh auf. Werner Buthe ist der Mann, der die Sternfahrt plante. Er trägt ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck: „Ich bin an allem schuld“, seine Arbeitskleidung, erzählt er und lacht. Der Frankfurter, Mitte fünfzig, stellt klar: „Ich bin kein Radfanatiker, ich bin für das Verbindende.“ Er hat auch ein Auto, benutzt aber in der Stadt das Rad - in Kombination mit der S-Bahn, wäre es ein unschlagbar schnelles Verkehrsmittel in der Stadt.
Er macht sich allerdings keine Illusionen, dass die Besucher der Automesse ab morgen aufs Rad steigen, „aber es wäre viel getan, wenn einige ins Nachdenken kommen“. Überhaupt wäre es sinnvoll, das Konzept der Messe zu überdenken. „Warum bezieht man nicht andere Verkehrsmittel mit ein und macht eine Internationale Mobilitätsmesse?“ Sollte das passieren, wolle er wieder einen Fahrradzug dorthin anführen, dann aber würden alle die Räder stehen lassen und hineinmarschieren.