Politik/Ausland

Auch in England schließen die Pubs um 22 Uhr

"Gleich getan, ist viel gespart." Einen zweiten Lockdown will der britische Premier Boris Johnson durch das Gegensteuern an einem "gefährlichen Wendepunkt" der Pandemie vermeiden. Die verschärften Maßnahmen gelten vorerst nur für den größten Landesteil des Königreiches, England.

Ab Donnerstag müssen Pubs, Bars und Restaurants spätestens um 22 Uhr Sperrstunde machen. Die Maskenpflicht wird auf Taxifahrgäste, alle Lokale und Mitarbeiter im Einzelhandel ausgeweitet. COVID-Richtlinien für Firmen werden zur gesetzlichen Verpflichtung. Und wer keine Maske trägt oder die Regel, Treffen auf maximal sechs Leute zu beschränken, verletzt, muss jetzt doppelt so viel zahlen: Beim ersten Verstoß sind das 200 Pfund (218 Euro).

Sollte die Polizei überfordert sein, will Johnson das Militär zur Kontrolle der Maßnahmen einsetzen.

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Er sei sich sicherer denn je, dass man den Kampf gegen das Coronavirus gewinnen werde, legte Johnson Dienstagabend in einer TV-Ansprache nach. Die neuen Maßnahmen seien "robust, aber angemessen". "Und jenen, die meinen, wir brauchen sie nicht und sollten die Menschen ihre eigenen Risiken eingehen lassen, sei gesagt, dass es nicht ihre eigenen Risiken sind." Die tragische Realität von Covid sei es, dass "der milde Husten des einen das Totengeläut des anderen ist".

Es sei auch nicht realistisch, einfach nur alte Menschen einzusperren. Das Virus würde auch dann seinen Weg zu diesen vulnerablen Gruppen finden, betonte Johnson und stellte weitere Verschärfungen der Maßnahmen in Aussicht: "Wenn die Menschen sich nicht an unsere Regeln halten, dann müssen wir uns das Recht reservieren, noch weiter zu gehen." Nun seien alle in der Pflicht, die Maßnahmen zu befolgen, um "gemeinsam" durch den Winter und die schwierigen Monate zu kommen.

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"Selbstgefälligkeit"

Johnson warnte, dass „Selbstgefälligkeit“ zu „drastischeren Maßnahmen“ führen könnte. Die Verschärfungen, die weniger weit gehen als manche erwartet hatten, könnten sechs Monate in Kraft bleiben. Dazu gehört auch ein Aufruf zum Homeoffice, wo möglich – eine Kehrtwende der Regierung nach Wochen der Appelle für eine Rückkehr ins Büro.

Schottland zieht nach

Die Lokalregierungen in Schottland, Wales und Nordirland kündigten in Absprache mit London ähnliche Maßnahmen an. Experten sehen das Bündel an Restriktionen als Versuch eines Spagats: Infektionen, die sich derzeit alle sieben Tage verdoppeln (auf 4.368 am Montag), sollen gebremst werden, ohne der Wirtschaft zu sehr zu schaden.

Insgesamt hat Großbritannien bis Montag 398.625 Corona-Fälle registriert und mit 41.788 die meisten Todesfälle Europas. Die britische COVID-Ampel wurde noch am Montag auf die zweithöchste Stufe vier, wo man zuletzt Mitte Juni stand, gestellt. Das heißt, die Übertragung ist „hoch oder steigt exponentiell“.

Kritik von Labour

Labour-Chef Keir Starmer unterstützte die neuen Corona-Regeln, aber kritisierte, dass sie denen im Nordosten Englands und anderen Landesteilen, wo ungefähr 13 Millionen Menschen unter lokalen Restriktionen stehen, ähneln. Und er sagte, der Regierung fehle eine „klare Strategie“ im Kampf gegen Corona. YouGov fand letzte Woche, dass nur noch 30 Prozent der Briten finden, dass die Regierung die Krise gut handhabt, weniger als je zuvor.

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Die neuen Maßnahmen werden die wirtschaftliche Erholung zurückwerfen, sagte Paul Dales, Analyst bei Capital Economics. Er sieht die britische Wirtschaft jetzt erst in der zweiten Hälfte 2022 wieder auf Vorkrisenniveau.

Alex in London ist froh, dass er seinen Geburtstag mit Freunden noch am Wochenende in Brighton feiern konnte: Die Maßnahmen empfindet er als „reine Show“.

 

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