Afghanistan: Schwere Gefechte im Panjshir-Tal
Die radikalislamischen Taliban und ihre Gegner liefern sich heftige Gefechte im Panjshir-Tal. Ein Sprecher der Widerstandsbewegung sagte am Freitag, die Truppen unter dem Taliban-Gegner Ahmed Massud seien in "schwere" Kämpfe mit den Taliban verwickelt. "Wir werden den Kampf für Gott, Freiheit und Gerechtigkeit niemals aufgeben", teilte Massud am Samstag auf seiner Facebook-Seite mit. Bei einer Demonstration für Frauenrechte in Kabul ist es indes zu Zusammenstößen gekommen.
Mindestens eine Frau sei dabei verletzt worden, berichteten lokale Journalisten am Samstag. Sie teilten das Video einer Frau, der Blut vom Kopf läuft. Videos von lokalen TV-Sendern und Aktivistinnen zufolge kam es bei der Demonstration zu chaotischen Szenen. Rund zwei Dutzend Frauen hatten zunächst friedlich in der Nähe des Präsidentenpalastes demonstriert, wie auf in sozialen Medien geteilten Bildern zu sehen war. Sie hielten Schilder in der Hand, auf denen etwa "Wir sind nicht die Frauen von vor 20 Jahren" stand oder "Gleichheit - Gerechtigkeit - Demokratie!". Auf Videos ist dann zu sehen, wie die Frauen von 50 oder mehr Sicherheitskräften der Taliban umzingelt sind und sich Schreiduelle mit Taliban liefern. Mehrere von ihnen husten.
Während des Taliban-Regimes zwischen 1996 und 2001 durften Frauen in Afghanistan nicht mehr arbeiten und nur noch verschleiert in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds das Haus verlassen. In der Öffentlichkeit war für sie lautes Sprechen oder Lachen verboten. Mädchen wurden auch vom Schulunterricht ausgeschlossen. Viele Frauen befürchten seit der erneuten Machtübernahme der Islamisten, dass diese wieder ähnliche Regeln für sie einführen werden.
Seit mittlerweile fünf Tagen gibt es Gefechte zwischen Taliban und Kämpfern der Nationalen Widerstandsfront um Panjshir, die einzige Provinz im Land, die die Taliban bisher nicht kontrollieren. Ursprünglich hatte es von beiden Seiten geheißen, man wolle die offene Machtfrage durch Verhandlungen lösen. Ein Sprecher der Nationalen Widerstandsfront schrieb diese Woche auf Twitter, die Taliban hätten Massud einen Posten in der künftigen Regierung angeboten und den Schutz seines Eigentums. Dieser habe aber abgelehnt und dies damit begründet, dass er keine persönlichen Interessen verfolge. Von Taliban gab es dazu bisher keine Aussagen.
Die Kämpfe begannen einem Sprecher der Widerstandsfront zufolge am Dienstag mit Taliban-Angriffen auf Kontrollposten am Eingang zum Panjshir-Tal. Zuletzt dürften sich die Gefechte verstärkt haben. Beide Seiten gaben an, das sie der jeweils anderen Seite heftige Verluste zugefügt hätten. In der Nacht auf Samstag verbreiteten Taliban-Unterstützer auf Twitter Gerüchte, Panjshir sei gefallen und die Führung des Widerstands geflohen.
Dies dementierte der bisherige Vizepräsident Amrullah Saleh, der selbst in Panjshir sein soll, umgehend. Die Situation sei schwierig, aber "wir haben unser Land verteidigt", sagte er in einer Videonachricht, die der lokale TV-Sender ToloNews auf Twitter teilte. Auch Massud schrieb auf Facebook, das Panjshir-Tal sei "bisher standhaft geblieben".
Panjshir konnte von den Taliban auch während ihrer ersten Herrschaft zwischen 1996 und 2001 nicht erobert werden. Das lag neben dem erbitterten Widerstand der Nordallianz auch an der geografischen Lage - der Eingang zum Tal ist eng und gut zu verteidigen.
UNO-Konferenz für humanitäre Hilfe
Zur humanitären Hilfe für Afghanistan findet Mitte September eine UN-Konferenz in Genf statt. UN-Generalsekretär Antonio Guterres werde das hochrangige Treffen am 13. September leiten, teilte sein Sprecher Stephane Dujarric am Freitag in New York mit. Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban Mitte August sei Afghanistan von einer "humanitären Katastrophe" bedroht, hob der UN-Sprecher hervor.
Die Konferenz soll zum einen auf eine "rasche Erhöhung der Finanzierung" hinwirken, "damit lebensrettende humanitäre Einsätze fortgesetzt werden können", erklärte Dujarric. Zum anderen gehe es darum, einen "vollständigen und ungehinderten humanitären Zugang" zu Afghanistan zu erhalten, damit die Afghanen weiterhin mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden könnten.
Guterres' Sprecher machte deutlich, dass die Hilfen für Afghanistan an Bedingungen geknüpft werden sollen. Die bisherigen Entwicklungsfortschritte in dem Land müssten geschützt werden, erklärte Dujarric. Außerdem seien Frauenrechte ein "wesentlicher" Faktor für Afghanistans Stabilität in der Zukunft.
Afghanistan war bereits vor der Machtübernahme der Taliban in hohem Maße von humanitärer Hilfe aus dem Ausland abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert.
Von den 38 Millionern Einwohnern Afghanistans sind nach UN-Angaben 18 Millionen Menschen akut von einer humanitären Katastrophe bedroht. Diese Zahl könne sich demnach noch verdoppeln. "Jeder dritte Afghane weiß nicht, woher er seine nächste Mahlzeit bekommt", führte Dujarric aus. "Fast die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren werden in den kommenden zwölf Monaten akut unterernährt sein."
Die UNO hat nach eigenen Angaben humanitäre Flüge in Teile Afghanistans wieder aufgenommen. Die Vereinigten Arabischen Emirate schickten am Freitag ein Flugzeug mit dringend benötigten medizinischen Hilfsgütern und Lebensmitteln nach Afghanistan.