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AfD-Kanzlerkandidatin: Wie tickt Alice Weidel?

Alice Weidel soll die AfD als Kanzlerkandidatin in die bevorstehende Bundestagswahl führen. Der AfD-Bundesvorstand und die Landesvorsitzenden der Partei beschlossen in Berlin nach Angaben von Teilnehmern einstimmig, die 45-Jährige im Jänner beim Parteitag in Riesa zur Wahl vorzuschlagen. "Heute ist ein großer Tag für die Partei und ein großer Tag für Deutschland", sagte Weidel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem Co-Parteivorsitzenden Tino Chrupalla.

Eine reelle Chance auf die Kanzlerschaft hat die rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland) mit Umfragewerten zwischen 18 und 19 Prozent zwar nicht. Im deutschen Bundestag käme mangels Unterstützung durch andere Parteien keine Mehrheit für eine AfD-Kanzlerin zustande. Trotzdem kürt die Partei Weidel zur Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl am 23. Februar und will damit einen Regierungsanspruch unterstreichen. Es geht also vor allem um den symbolischen Charakter.

Man sei in den Umfragen an zweiter Stelle und leite daraus einen Regierungsauftrag ab, fügte Weidel hinzu. Man wolle Deutschland wieder nach vorne bringen. Chrupalla sprach von einem historischen Tag und einem "Wahlkampf als Mannschaft mit einer Stürmerin". 

Es ist das erste Mal in der fast zwölfjährigen Geschichte der AfD, dass sie einen Kanzlerkandidaten benennt. Weidel hatte die Pläne auf Nachfrage in einem Interview im Sommer 2023 bekanntgegeben, als ihre Partei wegen deutlich gestiegener Umfragewerte zusehends in den Fokus rückte.

Wer ist Alice Weidel, und wie tickt sie?

Frage nach Partnerin kommt ihr "zu den Ohren raus"

Eine Frage wird ihr in abgewandelter Form immer wieder gestellt – und sie komme ihr zu den Ohren raus, wie Weidel schon 2017 einmal sagte: Wie passt das zusammen – AfD und in eingetragener Partnerschaft mit einer Frau mit Migrationshintergrund und zwei Kindern?

"Sarah, ich liebe dich!"

Zuletzt passiert das bei einer Veranstaltung in Zürich. Der Moderator stellt besagte Frage. Sie antwortet: "Ich muss Ihnen sagen, ich sehe Hautfarben nicht." Es folgt ein demonstratives: "Sarah, ich liebe Dich!" an die im Publikum sitzende Partnerin. Später im Interview mit den Zeitungen der CH-Media-Gruppe begründet Weidel den Schritt. Sie sei nicht erfreut über die Frage mit der Hautfarbe gewesen. "Da gehe ich innerlich hoch." Ihre Frau sei Schweizerin, adoptiert, mit drei Monaten aus Sri Lanka gekommen und sei in Appenzell aufgewachsen.

Ihr Privatleben versucht Alice Elisabeth Weidel sonst aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. "Wenn man da die Tür öffnet, kriegt man sie nicht mehr zu", sagt die 45-Jährige. Sie pendelt zwischen Deutschland und der Schweiz, wo sie mit ihrer Partnerin, einer Filmproduzentin, zwei Kinder großzieht.

Aber wie passt das nun zur AfD?

Ihre Antwort hat Weidel schon vor sieben Jahren in einer Wahlkampfrede gegeben. Sie sei nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Homosexualität in der AfD, sagte Weidel da und zog die Verbindung zur Sicherheits- und Migrationspolitik. Schwule und Lesben könnten sich kaum noch Arm in Arm auf die Straße trauen. Es gebe No-go-Areas für Homosexuelle und "muslimische Gangs", die Jagd auf sie machten.

Politische Gegner als "Schießbudenfiguren"

Auf der politischen Bühne legt die Ökonomin Wert auf ein seriöses Auftreten: weißes Hemd, Perlenkette, dunkelblaue Jacke. In Interviews spricht sie gedehnt und betont ruhig, sagt in westfälischer Mundart "Wiatschaft" wenn sie über "Wirtschaft" spricht. Ihr Ton ist dennoch scharf und teils verachtend, wenn sie über die Regierung und politische Gegner spricht und diese als "Würstchenkabinett" oder "Schießbudenfiguren" bezeichnet. Sie versuche, unterkühlt zu wirken, obwohl es in ihr brodelt, sagt ein AfD-Bundestagspolitiker.

Weidel-Fans loben "tollen Humor"

Leute in der AfD, die sie gut kennen und auf ihrer Seite stehen, beschreiben Weidel als Sympathieträgerin, als Frau mit "tollem Humor", die abseits der öffentlichen Bühne auch albern sein könne, nicht so, wie sie öffentlich rüberkomme. "Gescheit", "seriös", "fokussiert", "intelligent" sind weitere Zuschreibungen. Und es fallen auch Worte wie "durchsetzungsstark" und "streng". Weidel kann herrisch wirken, wenn sie Leute zurechtweist, die sie etwa bei einem Gespräch ablenken oder anders verärgert haben.

Kurze Zündschnur? "Überhaupt nicht", sagt sie dazu selbst. Man müsse Ruhe bewahren in allen Situationen, aber als Führungsperson auch deutlich werden. "Führung heißt auch, sich nicht unbedingt beliebt zu machen und manchmal auch schwierigere, unangenehmere Entscheidungen zu treffen, wenn es nötig ist."

"Spitzname Eisprinzessin"

Kritiker, die viel mit ihr zu tun haben und hatten, aber lieber anonym bleiben wollen, lassen kein gutes Haar an Weidel und beschreiben sie als "egozentrisch" und "arrogant". Sie habe nicht umsonst den Spitznamen "Eisprinzessin". Vorgeworfen wird der AfD-Chefin auch Inkompetenz, und dass sie vor allem nach innerparteilicher Macht strebe. "Der geht"s nur darum, vorne zu sein." Von außen handelte sie sich den Vorwurf ein, eine "Opportunistin der schlimmsten Sorte" zu sein. Junge-Union-Chef Johannes Winkel nahm dabei Bezug darauf, dass sich Weidel einst für einen Parteiausschluss von Björn Höcke eingesetzt hatte und nun so tue, als sei das nie passiert. Mit dem führenden Vertreter der Rechtsaußenströmung der AfD zeigt sie sich inzwischen Arm in Arm auf der Wahlkampfbühne.

Steckbrief Alice Weidel

  • geboren am 6. Februar 1979 in Gütersloh
  • aufgewachsen mit zwei Geschwistern in Harsewinkel zwischen Münster und Bielefeld
  • Vater Handelsvertreter für Büromöbel
  • Spitzname "Lille"
  • Abitur, Wirtschaftsstudium mit Top-Abschluss
  • Arbeit bei der Investmentbank Goldman Sachs
  • mehrjähriger Aufenthalt in China (Forschungsstipendium und Unternehmensberatung)
  • Doktorarbeit über das chinesische Rentensystem
  • Eintritt in die AfD im Gründungsjahr 2013 aus Frust über die sogenannte Euro-Rettungspolitik von Angela Merkel (CDU)
  • wandert gern, fährt gern Rad, hört am liebsten Drum 'n' Bass und Elektro laut im Auto, kocht gern indisch und thailändisch