Politik/Ausland

AfD: Alte Gräben wieder aufgerissen

„Verräter“, „Lüge und Verleumdungen“ – kaum ein Tag, an dem sich die zwei Lager in der AfD nicht öffentlich bekriegen. Auf Betreiben von Parteichef Jörg Meuthen hatte der AfD-Vorstand den brandenburgischen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz vor einer Woche wegen dessen Kontakten ins rechtsextreme Milieu ausgeschlossen.

Eine Abstimmung, die den alten Richtungsstreit neu befeuert: Sehr Radikale, die sich jetzt hinter dem Geschassten formieren, gegen etwas weniger Radikale, die sich als Koalitionspartner aufstellen wollen – Spaltung nicht ausgeschlossen. Und als wäre das nicht genug, dringen sie in der Coronakrise mit ihren Positionen kaum durch. Die Bilanz: Die AfD steht bei zehn Prozent oder knapp darunter. Zu ihren besten Zeiten hatte sie bundesweit 15 Prozent. Das war 2017, da war auch ein anderes Thema präsenter. „Das Migrationsthema, von dem die AfD sehr profitiert hat, ist in Deutschland in den Hintergrund gerückt“, sagt Politikwissenschaftler Kai Arzheimer von der Universität Mainz.

Und bei einem komplexen Thema wie einer Pandemie tut sich die Partei schwer. War sie zunächst selbst für Maßnahmen, schrien einige schnell nach Lockerungen. Auch beim Blick auf die Proteste gegen die Corona-Beschränkungen und der Frage, ob man sich anhängen soll, gibt es keine Strategie, so der Experte. Vereinzelte Funktionäre haben dies versucht, bzw. verbreiten sie selbst Verschwörungen im Netz. „Doch auch der Versuch, Ausländer verantwortlich zu machen, werde nicht so wahrgenommen“, erklärt Arzheimer.

Debatte um Ausrichtung

Besonders schwer wiegen die internen Debatten um die inhaltliche Ausrichtung der Partei, die sie seit ihren Anfängen mitschleppt. „Ein Flügel geht Richtung FPÖ oder gibt sich bürgerlicher, dann gibt es Strömungen in der Partei, die den Anschluss zum klassischen Rechtsextremismus suchen.“ Das wurde bisher so verkauft: Man spricht verschiedene Gruppen an. Bei regionalen Wahlen, wo sie im Osten radikaler auftrat als im Westen, hat das funktioniert. Auf Bundesebene, wo Konzepte für Themen oder die nächste Wahl erstellt werden, ist aber nicht klar, wer das Sagen hat. Seit den Wahlgewinnen im Osten beansprucht das vor allem der kleine, aber radikale Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke für sich.

Dass dieser Teil der AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wirkte für einige sicher abschreckend, meint der Experte. Denn der Beobachtungsstatus hat praktische Konsequenzen: „Für Mitglieder, die verbeamtet sind oder im öffentlichen Dienst stehen, heißt das, dass sie auch disziplinarische Schwierigkeiten bekommen können. Ich glaube, dass sich manche gut überlegen, ob sie wirklich einer Partei nahe stehen möchten, die sich am Rande der Legalität bewegt.“

Eine Prognose, wie es weitergeht, lässt sich schwer abgeben. Der Effekt, dass sich alle hinter der Regierung scharen, wird nicht ewig andauern. Davon könnte die AfD profitieren, so Arzheimer. Da sie aber so mit einem Konflikt beschäftigt ist, den er als „unauflösbar“ sieht, ortet er reale Tendenzen, dass sie sich noch auseinanderdividieren könnte.