Politik/Ausland

Nach Höchstgerichts-Überraschung: Abtreibung wird in USA Wahlkampfthema

Als der Oberste Gerichtshof der USA im vergangenen Sommer nach fast 50 Jahren das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch kippte, sprachen militante Abtreibungsgegner von einem Zwischenschritt. Ihre Ansage lautete: Als nächstes werde der „Tod per Post“ gestoppt.

Gemeint ist die seit 23 Jahren rund 5,6 Millionen Mal verabreichte Pille Mifepriston. Bis zur zehnten Schwangerschaftswoche ermöglicht das Medikament einen von Ärzten als unbedenklich eingestuften Schwangerschaftsabbruch.

Pattstellung beseitigt

Untere juristische Instanzen in Texas und Louisiana hatten Mifepriston zuletzt verboten bzw. massiv eingeschränkt. Während ein anderes Gericht im liberalen Bundesstaat Washington das Gegenteil verfügte. Am Freitagabend hat der mehrheitlich konservativ tickende Supreme Court in Washington das juristische Patt überraschend beseitigt. Bis zum Abschluss von Berufungsverfahren bleibt das Mittel, mit dem in den USA über 50 % aller Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, unangetastet im Handel.

Sieg für die Demokraten

Die Folgen: Erleichterung für zigtausende Frauen, die es mittlerweile in über der Hälfte der 50 Bundesstaaten mit Abtreibungsverboten oder hohen Hürden zu tun haben. Ein temporärer Sieg für die Demokraten, die das Selbstbestimmungsrecht der Frauen hochhalten. Und eine vorläufige Niederlage für Republikaner, die den Schutz ungeborenen Lebens verlangen.

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Die Millionenfrage: Warum?

Für wie lange? Das ist ungewiss. Wollte das Höchstgericht nicht schon wieder Öl ins Feuer gießen? Darüber spekulieren US-Medien. Die Gründe für Urteil pro Mifepriston bleiben unbekannt. Demnächst aber wird wieder mit der Anrufung des Supreme Courts gerechnet. Dieser würde frühestens 2024 entscheiden. Ob die Höchstrichter kurz vor der nächsten Präsidentschaftswahl in einem extrem polarisierten Land Flagge zeigen würden – gegen oder für Abtreibungsbefürworter – ist die „Eine-Million-Dollar-Frage“.

Enorme Sprengkraft

Parteipolitisch hat die Entscheidung enorme Sprengkraft. Die Demokraten, angefangen von Präsident Joe Biden, nutzten den Richterspruch umgehend als Instrument zur Wählermobilisierung. Tenor: Nur wer uns mit Mehrheiten im Kongress ausstattet und in zwei Jahren erneut einen Demokraten ins Weiße Haus schickt, kann sichergehen, dass das Recht auf Abtreibung gestärkt wird. Komplizierter ist es für die Republikaner. Sie sind bei den Zwischenwahlen zum Parlament im Herbst 2022 für ihre restriktive Linie bei Schwangerschaftsabbrüchen massiv abgestraft worden. Dennoch lässt die ultra-konservative Basis der „Grand Old Party“ nicht locker und verlangt nach radikalen Verboten.