Abgründe des Brexits: Die Fundamentalisten unter den Brexiteers
Von Valerie Krb
„Großbritannien ist aufgrund seiner Kultur, Geschichte und militärischen Stärke die beste aller Nationen“, sagte Jacob Rees-Mogg vor rund einem Monat bei einer Pro-Brexit-Veranstaltung der politischen Interessensgruppe „Leave means Leave“. Der Tories-Politiker gilt als stärkster Widersacher von Premierministerin Theresa May innerhalb der eigenen Partei. Und als Anführer des Lagers der Pro-Brexit-Hardliner.
Seine Botschaft ist einfach: Großbritannien werde ohne EU wohlhabender, stärker und erfolgreicher sein. Die EU ist das Feindbild schlechthin, ein harter Brexit ohne Deal eine durchaus akzeptable Option.
"Nicht EU-Regeln unterwerfen"
Hinter Rees-Mogg stehen rund 60 Parlamentarier, die sich seit dem Referendum vor zweieinhalb Jahren dafür stark machen, die EU zu verlassen. Einer von ihnen ist Ex-Außenminister Boris Johnson. Anfang des Jahres hatte er sich darüber empört, dass die britische Regierung überhaupt erwäge, sich weiterhin EU-Regeln zu unterwerfen, um im Binnenmarkt zu bleiben. Dies sei „Verrat“ und mache ihn „wütend“.
Doch das ist nur die – politisch-offizielle – Oberfläche des Pro-Brexit-Lagers. Gräbt man tiefer, stößt man auf die mehr als fragwürdigen und radikalen Ideologien der Hardcore-Brexiteers. Diese kommen etwa unter dem Twitter-Account „Supporting Brexit & #NoDeal“ zutage.
Hier postet die politische Basis Fotos, auf denen sich unter der EU-Flagge ein Hakenkreuz verbirgt, beschimpft Premierministerin May als dummes Tier und macht gegen einen Brexit-Deal Stimmung. Ihr Argument: Am Abstimmungszettel des Referendums sei keine Rede von einem Deal gewesen. Es hieß lediglich „bleiben“ oder „gehen“. Immerhin 35.400 Follower hat die Seite.
Eifrige Poster verbergen sich hinter Pseudonymen wie „JustJaneUK“, die sich selbst mit den Worten „Ich hasse die EU mit Leidenschaft“ beschreibt. Oder „chatteris18“, die als politische Einstellung „rechter Flügel, Anti-Islam, stolze Nationalistin“ angibt.
Hier kursieren Fake News und Halbwahrheiten, wie etwa, dass seit dem Referendum – trotz gegenteiliger Prognosen – die Arbeitslosigkeit in Großbritannien gesunken sei. Das stimmt zwar, liegt aber daran, dass die sogenannte „Gig Economy“ in den vergangenen Jahren zahlreiche Teilbeschäftigungen und Scheinselbstständige geschaffen hat.
Britisches Breitbart
Untermauert werden derlei Ansichten mit Artikeln der Website „Westmonster“. Sie ist der US-amerikanischen, rechten Meinungsseite „Breitbart“ nachempfunden und berichtet nach eigenen Angaben über Themen wie „Brexit“, „Terror“ und „Immigration“. Hier findet man Beiträge mit Titeln wie „Nach dem No Deal wird der Handelsfluss normal sein“ und Umfragen, die besagen, dass 80 Prozent der Tories gegen einen verspäteten Brexit seien.
Gegründet wurde „Westmonster“ im Jänner 2017 von Arron Banks, Mitbegründer der „Leave.EU“-Kampagne und einer der größten Geldgeber der britischen Unabhängigkeitspartei (UKIP) sowie der Kampagne von Nigel Farage für eine EU-Austritt. Banks soll gute Verbindungen zu Russland unterhalten.
Die Figur Farage
Apropos Nigel Farage: Er ist eine weitere Schlüsselfigur im Lager der radikalen Brexit-Befürworter. Allerdings nicht innerhalb der Tories, sondern außerhalb. Er war Chef der nationalistischen Unabhängigkeitspartei, ist Gegner des Euro und sprach sich immer wieder für einen Stopp der „Masseneinwanderung“ aus.
Hier schließt sich auch der Kreis zu „Leave means Leave“. Denn Farage ist Vizepräsident der Plattform, die für den Brexit - auch ohne Deal – und gegen ein zweites Referendum lobbyiert. Er twittert Sätze wie: „Nach dem Brexit werden wir frei sein von ungewählten, arroganten Tyrannen wie Ihnen und unser Land selber lenken.“ Adressiert ist die Nachricht an EU-Ratschef Donald Tusk.
Farage mobilisiert in sozialen Netzwerken auch für die Unterzeichnung einer Petition mit dem Titel „Leave the EU without a deal in March 2019“. Über 351.000 Menschen haben diese bisher unterzeichnet. Für ihn zahlt sich die Stimmungsmache auf jeden Fall aus. Seine Anhänger wünschen sich ihn als nächsten Premierminister des Landes.
Aber nicht nur er liebäugelt mit dem höchsten Posten des Landes. Auch Boris Johnson will angeblich Premierminister werden. Den Rückhalt in der eigenen Partei dafür hat er, wird spekuliert.
Bis es aber soweit ist, machen die radikalen Brexiteers weiterhin kräftig Stimmung gegen die EU und einen Deal mit ihr. Etwa mit Tweets wie diesem, verfasst von Boris Johnson: „Wir sollten den Deal ablehnen, den Backstop in den Müll werfen und unser Selbstbewusstsein wiederherstellen. Dann werden wir mächtig gedeihen.“