Politik/Ausland

1000 Milliarden Euro für das Klima: „Guter Start für einen Marathon“

Er ist ehrgeizig, einzigartig und – extrem teuer: Der „Grüne Deal“, der Europas Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren von Grund auf umkrempeln und in Richtung Nachhaltigkeit bringen soll. Eine Billion Euro, also Jahr für Jahr jeweils 100 Milliarden, soll die EU nach den am Dienstag präsentierten Plänen der EU-Kommission investieren, um ihr Ziel zu erreichen:

Bis 2030 sollen die Treibhausgase am europäischen Kontinent um 50 Prozent gesenkt (Basis: 1990) und die EU bis 2050 klimaneutral sein. Heißt so viel wie: Es dürfen dann nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als durch Böden, Wälder und Meere wieder abgebaut werden können.

Wer soll diese gigantischen Summen aufbringen? Vor dem EU-Parlament in Straßburg präsentierte EU-Vize-Kommissionschef Frans Timmermans gestern erstmals konkrete Zahlen. Mehr als die Hälfte der rund 1.000 Milliarden Euro wird aus dem regulären Sieben-Jahreshaushalt der EU stammen (siehe Kasten). Die Mittel werden zweckgebunden für den Schutz des Klimas eingesetzt – also für den Umbau der Landwirtschaft, der Gebäudesanierung, der Energieeffizienz, der Forschung, für treibstoffarme Mobilität und vieles mehr.

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Milliarden „hebeln“

In der zweiten Hälfte des finanziellen Riesenpakets will die EU mit Krediten, eigenen Mitteln und Garantien um vielfach höhere private Investitionen anstoßen, also „hebeln.“ So könnten etwa mit nur 15 Milliarden Euro aus dem Invest-EU-Programm insgesamt bis zu 650 Milliarden Euro angestoßen werden.

„Luftbuchungen“ seien das, empört sich Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/die Grünen im EU-Parlament. „Die EU-Kommission rechnet für ihr durchaus sehr ambitioniertes Investitionsprogramm für die sozial-ökologische Wende mit Milliarden, die ihr derzeit gar nicht zur Verfügung stehen.“

Weniger harsch beurteilt Stefan Schleicher das Mammutprojekt der Kommission. Der Ökonom und Klimapolitikexperte am WIFO hält es für „durchaus vorstellbar, dass die Billion zustande kommt.“ Dafür aber müssten die Beiträge der EU-Staaten ins Budget erhöht werden. Und zudem müsste die EU selbst über stärkere Einnahmequellen verfügen, etwa über eine europäische Co2-Bepreisung oder die Besteuerung von Plastik. „Aber all das ist noch weit, weit weg“, schildert Schleicher dem KURIER.

Schönheitsfehler

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Die vorerst noch größten Schönheitsfehler des Investitionsprogrammes für den Green Deal: Erst müssen die 27 EU-Staaten überhaupt noch das kommende EU-Budget ausstreiten. Und dann müssen noch alle Staaten an einem Strang ziehen: Denn bisher hat Polen, das seine Energie zu 80 Prozent aus Kohle gewinnt, dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 noch nicht zugestimmt.Ob die rund 1000 Milliarden an Investitionen reichen werden, um die Treibhausgase in Europa bis 2030 um bis zu 50 Prozent zu senken, will Schleicher nicht beurteilen. „Aber ein kräftiger, guter Start in einem Marathon“ sei das Programm allemal.

Ein Kernstück des Vorschlages sind die hundert Milliarden Euro des sogenannten „Gerechten Übergangsmechanismus“. Aus seinen Mitteln soll der Übergang von Kohle oder sonstigen schadstoffreichen Industrien in nachhaltige Wirtschaft unterstützt werden. Dabei könnte etwa auch die Stahlverarbeitung bei der Voest auf EU-Gelder hoffen. Derzeit läuft etwa ein Projekt, auf eine mit Wasserstoff arbeitenden Stahltechnologie umzusteigen.

Vor allem aber soll der Mechanismus den Kohleregionen Europas unter die Arme greifen. 108 Regionen in der EU sind betroffen, mit insgesamt 237.000 Arbeitnehmern. „Der Gerechte Übergangsfonds ist ein richtiger Schritt“, sagt Rebekka Popp, „aber nur mit dem richtigen Design“. Länder die Mittel daraus abschöpfen wollen, müssten nach Forderung der Expertin beim Klima-Think Tank E3G erst Ausstiegspläne aus der Kohle vorlegen. „Aber Polen“, sagt Popp dem KURIER, „plant noch keinen Kohleausstieg.“

 

Woher kommt das Geld?

Eine Billion Euro

Woher sollen die 1000 Milliarden Euro kommen, die bis 2030 in den Green Deal der EU investiert werden?  Etwa 500 Milliarden kommen aus dem regulären EU-Budget. Weitere knapp 280 Milliarden aus dem InvestEU-Programm (früherer Juncker-Fonds) zusammen mit  Mitteln der Europäischen Investitionsbank und privaten Investments. Nationale Co-Finanzierungen (etwa 100 Mrd.) werden ebenso eingerechnet wie der „Gerechte Übergangsfonds“ für den Abbau der Kohleindustrie mit 100 Mrd..