Wiener Ärztin hilft in Afrika: „Menschlich können wir gewinnen“
Von Walter Friedl
Einen Monat lang kurbelte sie unermüdlich, dann, endlich, ergatterte sie doch noch einen Flug von Tansania nach Europa beziehungsweise nach Österreich. Seit rund elf Wochen ist DDr. Christine Wallner nun wieder in Wien. Doch ihr Herz schlägt weiter für das afrikanische Land, wo sie ihre Projekte und auch ihre Tochter samt deren Familie zurücklassen musste.
„Wir haben die Menschen dort mit unseren Initiativen und unserer Hilfe auf eine Ebene gehoben, auf der sie wieder hoffen konnten. Jetzt, mit den Folgen der Corona-Pandemie, befürchten viele, ihren Job zu verlieren. Sie haben weniger Angst vor dem Virus an sich – sie haben ja gelernt, mit Ebola, Cholera, Malaria und anderen Grauslichkeiten zu leben. Ihre Angst ist, dass sie wieder in die frühere Armut abrutschen“, schildert die heute 75-Jährige, die ihr Leben gleich zwei Mal komplett umgekrempelt hat.
Scheidung von Ex-Casino-Boss Leo Wallner
Nach ihrer Scheidung (vom mittlerweile verstorbenen Ex-Casino-Boss Leo Wallner) begann sie mit 40 Jahren, Medizin und Jus zu studieren, schloss beide Fachrichtungen ab und eröffnete eine Ordination in Wien. Und nach ihrer Pensionierung stürzte sie sich im Alter von 63 Jahren in ihr Afrika-Abenteuer.
Hausverkauf, dann Afrika
Sie verkaufte das Haus im noblen Sievering (Wien-Döbling) – der Erlös diente als Startkapital für ihr Engagement im Gebiet der Meru und der Massai ganz in der Nähe des weltberühmten Kilimandscharo. „Zu Beginn habe ich die Menschen auf einer Decke unter einem Baum behandelt“, sagt Christine Wallner im Gespräch mit dem KURIER. Aus der Behelfspraxis wurden eine Sanitätsstation und später ein richtiges Spital mit 60 Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern, das heuer vom tansanischen Staat übernommen wurde, wie die Medizinerin nicht ohne Stolz erzählt.
Doch das bloße Heilen somatischer Problem war der Medizinerin mit dem großen Herzen zu wenig. Sie initiierte und implementierte gleich ein Bündel an Hilfsprojekten, „damit die Familien auf die Beine kommen“, wie sie sagt. Das reicht von gemeinsamen Anstrengungen, damit die Menschen sauberes Trinkwasser haben, über Waisenhäuser, Kindergärten und vier Schulen, die gegründet wurden, bis hin zu Werkstätten, in denen die Jungen Tischler, Maurer, Schlosser oder Schneider lernen können. „Wir sind für alle Ein-Euro-Leute zuständig“, umschreibt die rüstige Mittsiebzigerin die Zielgruppe: Also alle, die mit weniger als einem Euro pro Tag ihr Auslangen finden müssen.
Tourismus-Projekt im Massai-Gebiet
Um ihre Aktivitäten besser finanzieren zu können, etablierte Christine Wallner eine Massai-Lodge sowie zwei Gästehäuser für (Safari-)Touristen. „Das Geschäft lief bis Corona sehr gut, die Serengeti liegt ja gleichsam vor der Haustüre“, erinnert sie sich mit Wehmut. Jetzt sei alles verwaist, die Fahrzeuge, die normalerweise Urlauber zu Massai-Dörfern bringen oder zu Baby-Elefanten, seien eingemottet, die Einnahmen bei Null. „Wenigsten die Spenden für Patenschaften (in der Regel 30 Euro pro Monat) laufen großteils weiter“, zeigt sich die erstaunlich jung gebliebene Frau erfreut. Verzagen ist jedenfalls nicht ihr Ding: „Es wird wieder bergauf gehen.“
Mehr „Gelassenheit“
Ihren Freunden in Europa rät sie zu mehr „Gelassenheit“. Die lerne man in Afrika, die unzählbaren Unwägbarkeiten des Kontinents ließen gar keine andere Wahl. Sie hebt die Schultern hoch und lächelt – wieder einmal. Auch empfiehlt Wallner gerade in der für einige beklemmenden Corona-Zeit, „aus der düsteren Gedankenwelt “ herauszukommen, diese schränke die Lösungskompetenz nur ein.
„Materiell verlieren wir, doch man glaubt gar nicht, was man alles nicht braucht“, betont sie mit einem Lächeln im Gesicht, „doch menschlich können wir gewinnen. Ich glaube fest daran, dass wir mit einer besseren Gesamthaltung aus dieser Krise kommen.“ Woher kommt dieser unerschütterliche Optimismus, gepaart mit Elan? „Vielleicht, weil ich nach einem allergischen Schock schon einmal kurzzeitig klinisch tot war. Da relativiert sich alles.“
Jetzt übernahm Tochter
Nachdem sie die Verantwortung für ihr vielfältiges Tansania-Engagement heuer ihrer Tochter Cornelia übertragen hat – die Ärztin lebt mit ihrem niederländischen Mann und ihren Kindern im Projektgebiet –, will Christine Wallner zunächst einmal in Wien bleiben. „Ich habe meine Ordi wieder eröffnet und versuche, Menschen zu heilen. Wenn wer nicht zahlen kann, egal, ich habe ja meine 1.500 Euro Pension – und wenig Ansprüche. Wenn wer Geld gibt, gut, dann bekommen es ,meine’ Kinder in Afrika.“
Der Verein
Africa Amini Alama, "Afrika, ich glaube an Dich“ betreibt in Tansania nahe des Kilimandscharo mehrere Projekte, die die Sektoren Gesundheit, Bildung und Soziales abdecken. Zudem gibt es eine Safari-Lodge und Gästehäuser für Touristen. Die Einnahmen fließen eins zu eins wieder in die Projektarbeit
Spenden
Vereinsgründerin Christine Wallner und ihre Tochter Cornelia Wallner-Frisee, die nun die Verantwortung übernommen hat, bitten um Spenden.
IBAN: AT14 1200 0518 4603 1508