Ich hör' auf zu rauchen: Du gehörst zu uns
Von Diana Dauer
"Was? Du?", er ist so ungläubig, dass er nicht schaut, wo er hintritt und fast über den Bordstein stolpert. "Ja, wirklich. Ich hab vor einem Monat aufgehört zu rauchen." So langsam hat es sich in meinem sozialen Umfeld herumgesprochen. Mein fast gestolperter Promenaden-Begleiter kennt mich seit Teenagertagen - also als Raucherin. Seine Überraschung zeigt mir, wie stark mich mein soziales Umfeld als Raucherin identifiziert. Und jetzt offenbar begreift, ich meine es ernst.
Mittlerweile haben so manche zynische Skeptikerinnen das passiv-aggressive Augenrollen gegen latente Bewunderung getauscht. Der Grund für den Stimmungswechsel: Ich rauche noch immer nicht. Es ist vier Wochen her, seitdem ich beschlossen habe, nach 15 Jahren mit dem Rauchen aufzuhören, seitdem ich Tabak, Zigarettenpapier und Filter nicht mehr angerührt habe.
Ich habe mein Rauch-Zeugs nicht theatralisch in den Mistkübel geworfen, habe nichts verschenkt. Es liegt nach wie vor im leeren Pflanzentopf am Fenster in meiner Küche. Ich weiß nicht, wieso ich es aufgehoben hab. Ich gehe täglich öfter daran vorbei, aber es führt mich nicht in Versuchung. Es beruhigt mich, gibt mir ein paradoxes Gefühl der Sicherheit...wie ich mir früher Sicherheit bei meiner selbstgedrehten Zigarette gesucht habe: Wenn du mich braucht's, bin ich da.
Nach 15 Jahren - und ohne Schnickschnack. Die Gründe für den Entschluss, wie es mir in den Anfängen gegangen ist und welche Maßnahmen und professionelle Hilfe, die ich mir zur Rauch-Entwöhnung geholt habe, können Sie hier nach lesen. Und dennoch: Nur weil es nun so gut wie alle wissen und mir keine Tschick mehr angeboten werden, ich vermisse sie, meine stete Begleiterin, immer noch. Lange nicht mehr so, wie früher. Und früher heißt, wie vor wenigen Wochen - aber in bestimmten Augenblicken.
Die Zigarette war mein soziales Werkzeug
Und auch hinterfrage ich manchmal mich und meine ursprünglichen Intentionen. Ich denke übers Rauchen nach. Wofür steht? Wie viel Macht hat sie, die Zigarette - aber nicht über den süchtigen Knecht, sondern in unserer Gesellschaft und über mich darin. Oder haben ich mich ihr bemächtigt, quasi als soziales Werkzeug. Mein Hammer, mit dem ich mich wehre.
Während immer weniger Männer rauchen, steigt die Zahl der rauchenden Frauen seit Jahrzehnten. Frauenrechtlerinnen wie Louise Aston (1814-1871) rauchten, trugen Hosen und tranken Bier. Ein Skandal.
Auch Frida Kahlo, Virginia Woolf und Hannah Arendt rauchten. Das Rauchen war nicht primär Laster, sondern rebellisches Aufbegehren, Provokation im Sinnes der Gleichberechtigung. Später auch erotisches Stilmittel im Film, wo die Zigarette zwischen den Fingern und Lippen einer Frau als erotisch und geheimnisvoll galt - und ist es vielleicht bis heute.
Ich frage mich, ob das Rauchen auch für mich eine Art feministische Selbstermächtigung war - eine Aneignung eines (vormals) männlichen Attributs. Die Geschichte der Frauenrechte ist auch eng mit Zigaretten verbunden: In den 1920er-Jahren rauchten die Suffragetten öffentlich. Ein Tabubruch, denn das galt bis dorthin als unanständig.
Für mich war es sicher der Fall. Natürlich war und ist das Rauchen für mich Teil meines ganz persönlichen Emanzipationskampfes gewesen. Hat es funktioniert? Und hab ich den Kampf jetzt verloren, da ich nicht mehr rauche?
Nein, vermutlich brauche ich die Zigarette einfach nicht mehr. Vielleicht bin ich in meinem Wesen jetzt gefestigt und nicht mehr auf definierende Attribute, wie meine exzentrische selbstgedrehte Tschick angewiesen? Mag sein. Ich bin zumindest derzeit noch in keine Identitätskrise gefallen.
Du gehörst zu uns
Das mag aber auch an dem Feedback für diese Rauch-Entwöhnungs-Serie liegen. Ich bin Journalistin. Unser Werkzeug ist das Schreiben - allerdings sollte man unser Wesen (gemeint ist nicht der Schreibstil) in unseren Texten nicht spüren. Und jetzt diese Texte. Plötzlich schreibe ich nur über mich. Es ist ungewohnt. Und als ich merke, dass sie gelesen werden, weil ich von den unterschiedlichsten Seiten angesprochen werde, fühle ich mich nackt. “Ui ui ui, war das ein Fehler?”, frage ich mich. Aber das Feedback ist ausschließlich positiv.
Wie es mir geht, geht es auch anderen. “Hey Diana, ich erkenne mich in deiner Rauchserie voll wieder. Ich wollte auch mit 30 aufhören. Nach 16 Jahren bin ich seit 4 Jahren rauchfrei. Dran bleiben!”, schreibt mir ein Arbeitskollege. “Mir gings genauso. Ich hoffe, du schaffst es”, wurde mir von anderer Seite gesagt.
Besonders überraschend war das Feeback von Leserinnen und Lesern. Als (weibliche) Journalistin ist man tendenziell eher negatives Feedback gewohnt. Ich bin es gewohnt, im Netz beschimpft zu werden, nicht unterstützt. Aber ich bin jetzt ein Teil von ihnen, den Ex-Raucherinnen und Ex-Rauchern. Und in dieser Gruppe halten wir zusammen.
Die Scham vor den anderen
Dass der Druck von außen beim Aufhören helfen kann, bestätigt mir auch Lisa Schindlauer, Stellvertretende Leiterin des Standorts für Suchtprävention und Sucht-Früherkennung des Vereins Dialog - Individuelle Suchthilfe. Es ist zwar Typ-Sache - manche kämpfen gerne für sich - aber grundsätzlich kann das Gruppengefühl hilfreich sein. “Das Gefühl der gemeinsamen Betroffenheit hilft sehr. Es zeigt: Ich kämpfe, aber andere kämpfen auch”, erklärt mir Schindlauer, als ich ihr von meinen Erfahrungen berichte. Außerdem entstünde ein Gefühl der Verpflichtung der Gruppe gegenüber, wenn so eine Verbindlichkeit nach außen geschaffen werde und "man möchte für die Gruppe stark sein und stärkt sich dadurch gleichzeitig selbst durchzuhalten”, sagt Schindlauer.
Ich weiß, wovon sie spricht: Wenn ich verführt bin, denke ich an meine ehemals rauchenden Leserinnen und Leser, die mich in ihren Club aufgenommen haben. Und an die Freunde und Kollegen und Kolleginnen, die meinten, sie wollen den nächsten Teil dieser Serie lesen und vor denen ich mich schämen würde, gegenüber denen ich tatsächlich ein Verantwortungsgefühl spüre.
Der erste Monat ist vorüber
Der erste Monat ist vorüber. Die täglichen Verlangen über Tag verteilt haben nachgelassen. Und ja, manchmal, wenn ich die Farbe Rot sehe, denke ich daran, dass ich nicht mehr rauche.(Um das zu verstehen, lesen Sie Teil 3 der Serie)
Und ja, wenn ich Laufen gehe oder Boxen merke ich, meine Lunge brennt nicht mehr so stark - ich habe mehr Ausdauer. Ich schlafe besser und wenn ich ins Bett gehe, schmecke ich ausschließlich frische Minze der Zahnpasta und nicht mehr die rauchige Note der Gute-Nacht-Zigarette, die die Zahnpasta trotz Mundspülung immer wieder überdeckt.
Aber manchmal holt es mich ein, etwa bei all den Geburtstagsfeiern, all den After-Work-Drinks und ich sehne mich nach der herrlichen Nonchalance der Tschick zum ersten Outdoor-Drink in den Schanigärten. Ich will immer noch Teil der Traube sein, die auf Partys in der Küche steht, weil man nur hier rauchen darf. Und dann wird's schwierig mit dem Nein sagen. Aber dann denke ich an den neuen sozialen Druck, der von meinen Eltern und Freunden nie groß genug war und daran, dass ich jetzt Teil einer anderen Gruppe bin. Und so schaffe ich wieder eine Nacht ohne Tschick, aber bis dato auch ohne Ego-Problem.