Wie strahlend wird die Energiewende?
Von Bernhard Gaul
In Europa ist die Atomkraft essenziell für die Energieproduktion. Die Hälfte der EU-Staaten setzt auf Atomkraft, EU-weit wird knapp ein Viertel des Stroms in 106 Reaktoren generiert. Weltweit sind rund 450 Atomkraftwerke in Betrieb, die etwa zehn Prozent des globalen Stroms erzeugen, und es liegen Pläne für 59 neue Atomkraftwerke am Tisch, mehr als die Hälfte davon in China, Indien und Russland.
Was spricht für Atomkraft? Wesentlich ist das Argument, dass ein AKW viel Strom produziert. Das japanische Kernkraftwerk Kashiwazaki Kariwa hat mit seinen sieben Meilern eine weltweite Rekord-Leistung von 8.200 Megawatt. Zum Vergleich hat Österreichs größtes Donau-Laufkraftwerk in Altenwörth (NÖ) eine maximale Leistung von 328 Megawatt. Klar, dass man da immer gerne auf diese Option schielt. Und: AKW laufen ohne direkte CO2-Emissionen. Beim Weltklimarat gilt es als klimaneutrale Technologie, in der EU wird derzeit genau darüber heftig gestritten.
Und was spricht dagegen?
Erstens: Die CO2-Neutralität ist umstritten, benötigt man doch Unmengen an Zement zum Bau, der Abbau und Transport von spaltbarem Material ist zudem nicht CO2-frei.
Zweitens sind die Baukosten immens.
Drittens ist der Betrieb teuer, weshalb der Staat den AKW-Betreibern einen drei- bis vier Mal so hohen Einspeistarif garantiert, wie Ökostromanbieter bekommen.
Viertens ist der Wettbewerb noch mehr verzerrt, weil AKW im Gegensatz zu allen anderen Stromerzeugern nicht versichert werden müssen (und können). Die Kosten der Fukushima-Kernschmelze von 2011 werden auf rund 100 Milliarden Dollar geschätzt, die die japanischen Steuerzahler und nicht die AKW-Betreiber zahlen.
Und fünftens: Nach bald achtzig Jahren Kernkraft ist noch immer ungeklärt, wo der lebensgefährliche Atommüll für Jahrhunderte endgelagert werden soll.
Warum dann diese Debatte?
Weil weltweit viel zu spät und jetzt panisch in die Energiezukunft geblickt wird, weil neue Begriffe wie die "Dunkelflaute" (wochenlang kaum Wind und Sonne) die alte Angst vor Blackouts neu entfacht. Tatsächlich ist nicht klar, wie Europa aus der fossilen Stromerzeugung (Gas und Kohle) aussteigen kann. Auch wenn etwa die Dänen mit ihrer 28 Milliarden Euro teuren Wasserstoff-Energieinsel zukunftsweisend sind.
Denn selbst die 27 Terawattstunden Ökostrom, die Österreich bis 2030 bauen will, hängen derzeit aufgrund unzähliger Einsprüche und einer lahmenden Länder-Bürokratie in den Seilen.
Um Österreichs Industrie bis 2040 fossilfrei zu machen, muss noch einmal drei bis vier Mal so viel Ökostrom ausgebaut werden. Es liegt jetzt an der Politik, die Ziele genau zu definieren und zu erklären, damit die Zukunft strahlend wird, und nicht verstrahlt.