Moria als Mahnmal für entschlossenes Handeln der EU
Von Walter Friedl
Brennt jetzt endlich auch in Europa der Hut? Oder will die Europäische Union, die – zu Recht – stolz auf ihre Werte ist, endgültig kapitulieren in der Frage der Flüchtlings- und Migrationsproblematik? Die Flammen in dem Camp auf der griechischen Insel Lesbos werfen ein zugleich grelles wie beschämendes Licht auf die Agonie vieler Regierungen des Kontinents. Handeln wäre jetzt das Gebot der Stunde.
Zu den Fakten: Für 2.800 Menschen war das Lager Moria geplant, zuletzt mussten dort 12.600 Flüchtlinge und/oder Migranten ausharren. Nicht nur unter hygienischen Zuständen, die untragbar sind. Und jetzt kam auch noch Corona hinzu. Seit Jahr und Tag weisen internationale Organisationen und NGOs auf die katastrophale Lage hin. Doch nur eine Handvoll europäischer Länder war bereit, ein paar Dutzend unbegleitete Minderjährige aufzunehmen – Österreich im Übrigen nicht.
Migrantenzahl sank
Der „Pull-Faktor“ wäre zu groß, heißt es als Begründung. Mag sein, dass sich durch diese Maßnahme ein paar Menschen mehr auf den Weg Richtung Europa machen würden. Doch erstens ist das nicht erwiesen, und zweitens ist die Zahl der Migranten zuletzt stark zurückgegangen: Von Jänner bis April wurden 164.000 Asylanträge in der EU gestellt, im selben Zeitraum des Vorjahres waren es noch 221.000. Dass das nicht nur coronabedingt ist, zeigt ein Blick auf 2019. Da wurden in der EU 676.250 Asylanträge registriert, etwa nur die Hälfte in Bezug auf 2016. Diese Zahl wäre für die EU-27 absolut verkraftbar – entspricht sie doch lediglich 0,15 Prozent der Einwohnerzahl der EU-27 (450 Millionen). Hier von einer „Asylantenflut“ zu sprechen, ist pure Demagogie.
Debatte versachlichen
Sicher, Europa kann nicht alle Flüchtlinge und Migranten dieser Welt aufnehmen. Aber die Debatte, und das hat wahrlich nichts mit „Gutmenschentum“ zu tun, müsste auf die Sachebene geführt werden, die zwei zentrale Punkte beinhaltet: Der alternde Kontinent braucht Zuzug, ob man das will oder nicht (nur ein Stichwort: Pflege). Und Menschen, die in ihrer Heimat keine Perspektive haben, kommen einfach. Die oft zitierte Hilfe vor Ort greift frühestens in einer Generation.
Feld nicht den Populisten überlassen
Deswegen brauchte es endlich eine einheitliche und vor allem solidarische europäische Politik in dieser Frage. Doch von der ist man leider meilenweit entfernt. Mit dem Migrationsthema lässt sich hervorragend auf Stimmenfang gehen. Populisten jeder Art, manche sitzen mittlerweile an den Schalthebeln der Macht, spielen auf dieser Klaviatur perfekt.
Doch will Europa, der Kontinent der Aufklärung und des Humanismus, seine Werte auf dem Altar kurzsichtiger und nationalistischer Politik opfern? Hoffentlich nicht.
Moria, zuvor schon Schandfleck, ist jetzt Mahnmal für entschlossenes Handeln.