Unleserliches Gekrakel und erschreckend schiefe Töne
Von Agnes Preusser
Vergangene Woche schrieb ich über die Sommerferien von Lehrerinnen und Lehrern. Was als launiger Einstieg gedacht war, hat offensichtlich die Gefühle einiger Pädagogen verletzt – und auch Fragen aufgeworfen. Ob ich neidisch sei, zum Beispiel. Die Antwort ist Jein.
Natürlich hätte ich gerne im Sommer frei, die restlichen Monate würde ich allerdings nicht den immer herausfordernder werdenden Lehrer-Job ausüben wollen. Zudem fehlen mir wesentliche Qualifikationen. Meine Schrift ist zum Beispiel ziemlich hässlich – und das ist noch nett ausgedrückt. Als Kollegin J. kürzlich etwas in meinen Notizen nachsehen wollte, legte sie mir wegen des unleserlichen Gekrakels eine berufliche Neuorientierung zur Ärztin nahe. (Auch dafür fehlen mir allerdings ein paar wichtige Eigenschaften.)
Leserlich schreiben ist für mich eine Kraftanstrengung, Schönschrift ein unerreichbares Ideal. Ich könnte Kindern darum zwar Rechtschreibung beibringen, aber nach vier Jahren mit mir könnte man in ihren Heften vermutlich nicht erkennen, ob meine Bemühungen wirklich von Erfolg gekrönt waren.
Singen ist auch etwas, das ich nicht zu meinen Stärken zählen darf. Ich treffe keinen einzigen Ton. Darum geniere ich mich so, dass ich nur sehr selten hörbar singe – und das ausschließlich betrunken. Das würde bei den Eltern mit Sicherheit nicht gut ankommen, bei meiner Leber auch nicht. Das Unvermögen ist übrigens (mit wenigen Ausnahmen) ein familiäres Leiden. Zu Weihnachten wurde darum statt des gemeinsamen Singens immer eine CD aufgelegt, weil „sonst das Christkind vor Schreck wegbleibt“ (Zitat Papa).
Andere (noch relevantere) Unzulänglichkeiten behalte ich für mich. Eine positive Eigenschaft zum Schluss: Ich kann anderen Menschen etwas gönnen. In diesem Sinne wünsche ich allen Lehrerinnen und Lehrern einen schönen und erholsamen Sommer.
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