Meinung/Mein Tag

Für meine Schwester, deine Schwester, unsere Schwestern

Jean-Paul Gaultier spielte es kürzlich bei seiner Haute-Couture-Show in Paris. Coldplay stimmten es bei einem Konzert an. Und es wurde auch in der Sendung „The Voice of Germany“ vorgetragen. Selten ist ein Lied so schnell um die Welt gegangen und wurde so offen von anderen Künstlern aufgegriffen wie die iranische Revolutionshymne „Baraye“ („Für“). Kein Wunder also, dass der Song bei der Grammy-Verleihung in der Nacht auf heute zu den Favoriten für die neu eingeführte Kategorie „Bestes Lied für sozialen Wandel“ zählte.

Für das Tanzen auf der Straße.

Für die Angst vor dem Küssen.

Für meine Schwester, deine Schwester, unsere Schwester.

Der Liedermacher Shervin Hajipour hat den Text zum Song zu Beginn der Revolutionsbewegung im September aus Postings zusammengestellt, in denen Iraner schrieben, warum sie gegen das Regime auf die Straße gehen. Während der Song in den sozialen Medien die Runde machte, wurde Hajipour nebst Tausenden anderen Protestierenden zwei Tage nach Veröffentlichung des Lieds verhaftet. Der Aufschrei zu seiner Inhaftierung war so groß, dass er kurz darauf gegen eine hohe Kaution freigelassen wurde.

Für die Sehnsucht nach normalem Leben.

Für die endlosen Tränen.

Für das glückliche Antlitz.

Für die Zukunft.

Für die im Gefängnis Eingesperrten.

Im Rahmen der Festnahme Hajipours wurde das Lied zwar gelöscht, doch was einmal im Internet landet, verschwindet bekanntlich nie ganz. Alleine auf Instagram soll der Song mehr als 40 Millionen Mal aufgerufen worden sein. Zwei Wochen nach der Veröffentlichung auf Youtube gab es schon die erste deutsche Coverversion. Die Revolutionsbewegung dauert bald fünf Monate an, und die Zeilen haben nichts an Aktualität eingebüßt.

Für Sonne nach diesen langen Nächten.

Für das Mädchen, das sich wünscht, ein Bub zu sein.

Für Frauen, Leben, Freiheit.

laila.docekal@kurier.at

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