Der letzte Brief eines zum Tode Verurteilten
Von Laila Docekal
Mohammad Hosseini war Geflügelarbeiter und hatte keine Familie mehr. Also kam niemand, um seine Leiche zu holen. Ich möchte seinen letzten Brief veröffentlichen, der über Umwege an die Öffentlichkeit gekommen ist:
„Hallo, an alle Menschen der Welt. Ich bin Mohammad Hosseini, ein Gefangener in einem der gefürchteten Gefängnisse der iranischen Regierung. Ein Mann, der niemanden hatte, keine Mutter, keinen Vater oder eine Familie, welcher aber ein Freund aller Güte dieser Welt war.
Nach Tagen und Nächten des Widerstands unter schwerer Folter zwangen sie mich, die Lüge zu gestehen, die sie hören wollten und das Verbrechen zu bekennen, das ich nicht begangen hatte.
In der Dämmerung des morgigen Tages, am Fuße des Galgens, werde ich ein letztes Mal gen Himmel blicken, den letzten Stern sehen und mit meiner ganzen Kraft „Frau, Leben, Freiheit“ schreien. Ich werde schreien im Namen der Gerechtigkeit und in der Hoffnung auf eine Welt ohne Gewalt, eine Welt, die die Natur liebt und die für alle Kinder der Welt sicher ist.
Für mich, der sein gesamtes Leben lang zutiefst einsam war, in einem Land, in dem arbeitende Kinder keine Gerechtigkeit erfahren haben, ist mein einziger Wunsch, dass die Welt ein Ort ist, an dem alle Kinder Kinder sein können und die Liebe zu Menschen und zur Natur verinnerlichen, sowie alle Geschöpfe dieses schönen Daseins lieben.
Und für all diese Liebe, die alles ist, was ich nach diesem kurzen, schmerzhaften Leben noch besitze, schrie ich auf den Straßen, um an der Seite der Studierenden meines Landes zu stehen, die unter Schlagstöcken und Kriegsgeschossen waren und Frau, Leben, Freiheit riefen.
Kinder, die jahrelang dazu gezwungen wurden und nichts anderes konnten, als der ganzen Welt den Tod zu wünschen, die aber jetzt die Botschafter der Liebe und Güte, der Freiheit und Gleichheit für alle Menschen sind, mit der Sehnsucht nach Frieden, mit der Sehnsucht nach einer gewaltfreien Heimat und Welt.
Dies sind nicht die Worte eines jungen Mannes, der sich nach Erlösung sehnt. Dies sind die Worte eines einsamen Kinderarbeiters aus den dunklen Tiefen der Geschichte eines von Grausamkeit und Gewalt gegeißelten Landes. Der in all den schwarzen Nächten seiner Kindheit die Natur umarmte, anstelle einer Mutter oder eines Vaters. Und der sich schwor, mit all seinen Mitteln und Möglichkeiten nach Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe zu schreien.
Ich wollte sagen, dass ich für die Freiheit der Frauen meines Landes mein Leben geben werde. Und wisset, wenn mein Körper eine Fahne im feurigen Sonnenaufgangswind geworden ist, dass ein Mann beim letzten Atemzug rief: Es lebe die Liebe, es lebe die Freiheit, es leben alle Völker der Welt."
Hinweis: Mangels freier Presse ist es kaum möglich solche Nachrichten aus dem Iran seriös zu überprüfen, zumal Mohammad Hosseini keine Familie mehr hatte, an die man sich wenden konnte. Daher gibt es Zweifel daran, ob der Brief tatsächlich von ihm selbst oder vielleicht in seinem Namen von einem anderen Insassen verfasst wurde.