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Gegen die Nostalgie: „Damals“ war es ganz und gar nicht schöner

Ja, es stimmt: Die Gegenwart ist nicht immer leicht. Etwa, wenn man sich irgendwie in die Situation hineinmanövriert, zum Auftakt einer KURIER-Serie das Thema derselben frontal kritisieren zu dürfen. Ja, in der Vergangenheit liegen, hoffentlich, schöne Momente, an die sich zu erinnern eine angemessene Art sein kann, die Zeit bis zum nächsten schönen Moment rumzubiegen. Aber wer hier über die homöopathische Dosis hinaus zulangt, der gefährdet sich und andere. Denn Nostalgie wird in hohen Dosen rasch zum Gift.

Das zur Verklärung hochgestufte Hochhalten etwaiger Vergangenheiten ist nämliche eine gedankenfaule Verwechslung des „Best of“ der eigenen Biografie (wie überraschend, dass das Leben als Kind leichter ist!) mit der Außenwelt. Nostalgie ist ein unhistorischer Aberglauben, ein gnadenlos erfundener, enggeführter Begriff von Vergangenheit. Und noch dazu schlicht falsch: Es ist eine Hirngespinst, zuletzt gern von einer Zeit, in der die Jugend weniger brav (bitte, die trinken nichts mehr), aber zugleich auch weniger frech (Greta) war, in der die Österreicher alle gleich ausgeschaut haben (ganz ohne Fremde!) und wir alle noch herrlichstes Österreichisch ganz ohne piefkonische oder sonstige Anwandlungen gesprochen haben. Das ist natürlich absurd und zum Lachen.

Wenn es lustig wäre. Ist es aber nicht: Denn die Nostalgie ist ein Einfallstor für das dümmste Versprechen des Populismus, dass man nämlich die Gegenwart, vielleicht sogar die Zukunft fernhalten und uns im ewigen Gestern einfrieren kann. Nein, die Jungen sind nicht dümmer, die Schwierigkeiten nicht größer, die Kultur nicht schlechter, die Herausforderungen nicht unbezwingbarer. Es ist vielmehr, wie der Economist festhielt, das Leben im Jahr 2020 der größte geschichtliche Glücksfall, der einen ereilen kann.

Wer die Vergangenheit dennoch verklärt, begibt sich in die selbst verschuldete Verführbarkeit. Und davon haben wir mehr als genug.