Improvisation ist in Zeiten wie diesen alles
Von Martina Salomon
Langsame Öffnung nach Ostern – dieses Signal der Regierung war dringend notwendig. Denn die Stimmung begann sich aufzuschaukeln: Hier jene, die immer lauter eine Rückkehr zur Normalität fordern, die Prognosen für Panikmache und die Folgen eines Wirtschaftscrashs für schwerwiegender halten als die Seuchenausbreitung. Auf der anderen Seite jene, die eine Verharmlosung der Krankheit für lebensgefährlich und jede (Medien-)Kritik an der Regierung als obszön empfinden.
Faktum ist: Die Situation in Österreich ist Gott sei Dank bei Weitem besser als in vielen anderen Ländern. Wahrscheinlich hat es keine Alternative zum Shutdown gegeben. Ja, die ständig wechselnden Aussagen haben irritiert: 100.000 erwartete Tote in Österreich – oder doch viel weniger? (Gott sei Dank Nummer zwei.) „Herdenimmunität“ oder Aushungern des Virus? (Derzeit Zweiteres. Der aktuelle Durchseuchungsgrad scheint viel niedriger zu sein als erwartet.)
Fünf Menschen zu Ostern zusätzlich einladen – oder doch nur mit den im Haushalt lebenden feiern, die einen vielleicht schon ordentlich nerven? (Zweiteres.) Masken sinnvoll oder sinnlos? (Offenbar Ersteres.) Stopp-Corona-App verpflichtend oder doch nicht? (Jetzt nur freiwillig.) Auch Ziele wurden immer wieder neu definiert: Ende der Grippewelle, Infiziertenanstieg einstellig, und so weiter. Für gestern wurden die Testergebnisse von 2.000 repräsentativ ausgewählten Österreichern angekündigt. Doch die Tests laufen immer noch. Aha.
Vieles wird erst im Nachhinein klar
Aber in dieser noch nie da gewesenen Situation gelten andere Regeln, und Improvisation ist alles. Vieles wird erst im Nachhinein klar. Zum Beispiel die Fehler zu Beginn: Die Grenze zu Italien hätte schnell geschlossen werden müssen (im vereinten Europa natürlich schwierig), ebenso Tiroler Hotels und Ski-Gaudihütten nach den ersten Fällen. Einreisende aus China hätte man testen oder zumindest in Quarantäne schicken und medizinische Schutzbekleidung früher bestellen müssen.
Man kann die Politik verstehen, dass sie auf Nummer sicher geht und keine Tausenden Toten riskieren will. Hoffentlich ist richtig, was der Kanzler sagt: Wir kommen aus dieser Krise schneller heraus, weil Österreich schneller und entschlossener reagiert hat. Aber nur dann, wenn die Österreicher noch eine Zeit lang so diszipliniert wie bisher bleiben. Keiner kann sagen, wann wir wieder unbesorgt reisen, Eltern und Großeltern umarmen, in einem Konzert oder in einem Fußballstadion sitzen, normal arbeiten können. Ein Albtraum, der zu allem Überfluss auch noch allerlei marxistische Visionen (Enteignung, Verstaatlichung) blühen lässt. Die Wissenschaft hilft uns da hoffentlich bald wieder raus – auch wenn sie vor Irrwegen und Übertreibungen ebenfalls nicht gefeit war und ist.