Meinung/Gastkommentar

Unvorstellbar, was monatelang an der Weststrecke passiert ist

Nach drei Monaten herrscht nun seit Sonntag laut ÖBB auf der Westbahnstrecke wieder Normalbetrieb. Verkehrslandesrat Udo Landbauer (FPÖ) sagte, die Mitarbeiter der ÖBB hätten in den vergangenen Wochen „Unvorstellbares geleistet“.

Unvorstellbar war es tatsächlich.

Unvorstellbar war das ÖBB–Management über Monate. Eine Naturkatastrophe, wie wir sie im September hatten, gab es nicht zum ersten Mal. Gelernt haben wir nichts. Mich verwundert, wie schwerwiegende Folgen dies in einem gut strukturierten Land hat. Man stelle sich vor, bei uns gäbe es Hurrikans oder Tornados wie in Amerika – Österreich wäre vermutlich handlungsfähig.

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Unvorstellbar war es, dass ausgerechnet der neue Gleisapparat zwischen Wien und Altlengbach darunter so gelitten haben soll. Oder wie erklärt man sich den totalen Ausfall des S-Bahn-Verkehrs zwischen Wien und St. Pölten?

Unvorstellbar ist es, dass ein Tunnel im Bereich der Hauptschlagader in den Westen mit solch hausgemachten Problemen gebaut wurde.

Seit November fuhren wenigstens zwei Züge pro Stunde (statt sechs). Dann fielen aber wieder Züge wegen technischer Gebrechen aus. Wenn endlich ein Zug eingefahren ist, sah man Menschen zusammengepfercht, schlimmer als bei Tiertransporten. Bei Tieren würden sich Tierschützer aufregen, bei uns Arbeitnehmern tut dies niemand. Menschen mit gültigem Ticket wurden (auf der Langstrecke) wie Verbrecher von der Polizei aus dem Zug geführt. Man brauchte also eine Sitzplatzreservierung (Mehrkosten von drei Euro pro Fahrt). Allein anhand der Jahreskarten- und Klimaticket-Besitzer hätte man die nötige Kapazität schätzen können, um vielleicht mehr Waggons anzuhängen. Aber nein, die Bahnsteige seien zu kurz , so die Auskunft der Bahn.

Unvorstellbar war auch die Leistung der Politik. Keine Pläne, die arbeitende Bevölkerung im Arbeitsprozess zu erhalten. Man hätte das Parkpickerl aussetzen können, damit manche Pendler wenigstens mit dem Auto anreisen hätten können.

Unvorstellbar auch der Rat mancher ÖBB-Mitarbeiter: „Besser Sie fahren mit dem nächsten Zug.“ Der nächste kam aber erst in einer Stunde – wenn überhaupt. Normale Arbeitnehmer können aber nicht einfach die Arbeit warten lassen.

Unvorstellbar auch die Durchsagen. „Wir bitten um Ihr Verständnis“, tönte es aus den Lautsprechern. Ich für meinen Teil habe keines mehr, ebenso wenig hat mein Chef Verständnis fürs mehrmalige zu spät kommen im Monat.

Unvorstellbar war vieles – aber nicht im positiven Sinne.

Ich lade die hoch bezahlten Manager ein, mit mir einmal in der Kälte 30 Minuten am neuen Bahnsteig in Tullnerbach/Pressbaum zu warten: 24 Sitzplätze bei 259 Park-and-Ride-Stellplätzen. Dafür hätte man das schöne alte Bahnhofsgebäude nicht abreißen müssen.

Und wie kann es sein, dass es bei deutlich weniger fahrenden Zügen keine Reserven gab? Könnte es vielleicht sein, dass diese gar nicht mehr im Lande sind und die neuen Garnituren, mit denen sich LH Mikl-Leitner präsentiert hat, noch gar nicht geliefert sind?

Es wäre ein Auftrag an die Politik, das zu klären und uns, die wir in dieses System einzahlen, zu unterstützen.

Lydia Triffterer arbeitet in Wien und lebt in Niederösterreich