Donald Trump: Dramaturgie eines Wahlerfolges
Um Haaresbreite entging der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einem tödlichen Attentat. Dass dieses böse Omen die Grundlage für einen Wahlsieg gegen einen zumindest imagetechnisch angeschlagenen Kontrahenten sein könnte, ist bei aller Dramatik und Tragik rund um einen toten Zuschauer, weitere Verletzte sowie den getöteten Attentäter nicht unwahrscheinlich. Nun kann „The Donald“ endgültig zum Helden und Märtyrer der USA im Präsidentschaftswahlkampf aufsteigen.
Damit weckt er teilweise Assoziationen zu John F. Kennedy oder Abraham Lincoln. Dass die Seele der Amerikaner getriggert wurde, steht fest. Dieses Phänomen wird der Politprofi Trump auf den Weg ins Weiße Haus voll und ganz – und vor allem gar nicht dezent – auskosten. Der Medienfachmann Trump war schon gefühlte Sekunden nach dem Attentatsversuch wieder in seinem Element und nutzte instinktiv die Situation, um seine Anhänger mit geballter Faust in Kämpfermanier anzusprechen. Instinkt schlägt Intelligenz, und dies gilt im Besonderen für die Urnengänge in der noch größten Wirtschaftsmacht der Welt. Der Aktienkurs des von seinem Verhalten her mehr als Vielschichtigen ist – so schlimm das Ereignis auch sein mag – sprunghaft in die Höhe geschnellt. Bei den Demokraten müsste schon ein Wunder geschehen oder ein Wunderwuzzi als neuer Spitzenkandidat aus dem Talon gezogen werden, um diesem psychodynamischen Prozess, der den republikanischen Kandidaten umgibt, den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Der 45. Präsident der USA wird nun eine Art hybride Wahlkampfführung ansteuern und sich für seine Verhältnisse immerhin kurz vom Saulus zum Paulus wandeln. Auf diese Art sollen neue moderatere Zielgruppen angesprochen werden und der momentane, sich in Transformation befindliche Zeitgeist stärker zu seinen Gunsten genutzt werden. Die linke und woke Ideologie hat nicht nur in den USA den Bogen in den letzten Jahren zu sehr überspannt. Dadurch eröffnet sich, wie einst für Ronald Reagan, den Namensgeber der sogenannten „Reaganomics“, ein Zeitfenster für die konservativen Kräfte. Ein Vorgang, der sich ebenso in Europa ausbreitet.
Der möglicherweise bald 47. Präsident wird nach einem anfänglichen Schockmoment seinem Psychogramm als Grenzgänger entsprechend etwas maskierter vorgehen, jedoch seiner Corporate Identity, sprich seiner grundlegenden Linie, treu bleiben. Man darf aber nicht vergessen, dass ein derart psychisch prägendes Trauma wie ein Attentat selbst an einem Donald Trump nicht spurlos vorbeigeht. Ähnlich wie bei Oskar Lafontaine oder dem bereits verstorbenen Wolfgang Schäuble macht ein solcher Einschnitt etwas mit einem und sogar bei einem 78-Jährigen wie Trump ist ein Reifungsprozess nicht nur auf physiologischer Ebene möglich.
Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.