Es wird sich leider noch ziehen
Von Martina Salomon
Hätte uns jemand zu Silvester prophezeit, dass die Polizei in diesem Jahr Osterspaziergänger bestrafen könnte, hätten wir ihn für verrückt gehalten. Aber es ist sogar noch schlimmer: Wir finden das mittlerweile fast normal. Die Zeit, als die Kinder zur Schule gingen, man Freunde und Familie treffen, feiern, reisen, ins Gasthaus, Kino, Konzert gehen konnte, erscheint unendlich weit weg. Und es wird sich noch ziehen, bis zumindest eine Therapie gefunden ist.
Weil man noch immer so wenig über das Virus weiß, fährt die Politik im Nebel auf kurze Sicht. Der Kampf gegen den unsichtbaren Gegner hat immerhin ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen lassen. Was allerdings auch dazu geführt hat, dass als Volksfeind gilt, wer Maßnahmen infrage stellt. Auch die Kontroverse war gestern! Was einen noch erschaudern lässt: die mittelalterlichen Essens- und Lebensgewohnheiten in China, die ein Viren-Überspringen von Wildtier auf Mensch erst ermöglicht (und in einer globalisierten Welt weitergetragen) haben. Außerdem das fahrlässige, weltweite Ignorieren von Pandemiewarnungen, die es seit Jahren gab. Dadurch fehlte und fehlt es an allem: Masken, Schutzausrüstung für medizinisches Personal, Know-how und an ordentlichen Tests, vor allem Antikörper-Tests. Erst wenn diese schnell, verlässlich und ausreichend vorhanden sind, lässt sich ernsthaft das "Leben danach" planen. Faktum ist, dass Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen, aber (unter Jungen) auch Übergewichtige und Raucher stärker gefährdet sind. Das Virus ist bereits ansteckend, wenn der Infizierte selbst davon noch gar nichts bemerkt.
Der heimische "Shutdown" hat das erklärte Ziel Gott sei Dank erreicht: dass Ärzte niemals vor der Entscheidung stehen, welchen Patienten sie behandeln
– und wen nicht. (Der "Kollateralschaden", dass jetzt Menschen mit anderen Erkrankungen fast zweitrangig sind, wird derzeit aber noch weitgehend ignoriert.)
Kalkül des vorsichtigen Aufsperrens nach Ostern ist, die medizinische Infrastruktur durch die dann wahrscheinlich wieder ansteigende Infektionszahl weiterhin nicht zu überlasten. Menschenansammlungen sind Viren-Brutstätten, daher bleiben Schulen und Gastronomie vorerst geschlossen. (Natürlich ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Desaster!)
Mittlerweile sind wir alle geübter in Abstandhalten, Maskentragen und Handhygiene. Eine "Herdenimmunität" wird nicht mehr angestrebt – unter den jetzigen Bedingungen dauert sie zu lange, und unkontrolliert überlastet sie die Gesundheitsversorgung. Wenn das alles halbwegs ausgestanden ist, müssen wir genauso unhysterisch an den Wiederaufbau der Wirtschaft denken. Wir haben Glück, das ist kein Krieg. Aber ein völlig irrer Ausnahmezustand – der sich so nie mehr wiederholen darf.