Politsprech, du potemkinsches Dorf
Von Caecilia Smekal
Zaun, dein Name ist schal und verbraucht.
über Politsprech als potemkinsches Dorf
Ein Zaun ist ein Zaun ist ein Zaun – oder etwa nicht? Natürlich ist ein Zaun auch bauliche Maßnahme, jemand muss schließlich Maß nehmen, um ihn zu bauen. Freilich ist ein Zaun auch technische Absperrung, ein Techniker sperrt einen Ort vom andern ab. Schmäh ohne, es bleibt ein Zaun. Und ein Zaun an der Grenze ist demnach wohl ein Grenzzaun.
Ja, sicher, "natürlich geht es auch um einen Zaun", heißt es. Aber es geht gar nicht darum, "rund um Österreich einen Zaun zu bauen". Denn schließlich: "Ein Zaun hat auch ein Tor." Unumwunden beigepflichtet hört sich dann so an: Wir brauchen ja "technische Sicherungen im Grenzbereich" - vom Zaun aber nicht die Rede, "denn es ist ja ein Unterschied, ob man eine Grenze baut oder ob man ein Türl baut mit Seitenteilen".
Alles klar?
Die aalgleiche Windbarkeit, sich um das inkriminierte Wort herum zu lavieren, grenzt bei manchem Politiker an Masochismus. Naja, es müsste wehtun, das Ranken und Schlängeln, sofern ein Rückgrat vorhanden ist.
Egal, ob sich doch einmal jemand getrauen wird, den Zaun beim Namen zu nennen, bis dahin wird vom Begriff nicht mehr als eine leere Worthülse übrig bleiben. Ein Gerippe ohne Inhalt, zerredet und bedeutungslos. Verpolitsprecht, wie so viele Begriffe, die einst von Substanz getragen waren. Zaun, dein Name ist schal und verbraucht.
Das Eingeweide ist ausgeweidet
Das Paradebeispiel für den politischen Begriff als potemkinsches Dorf ist die immerwährende Neutralität. Die Fassade steht und sieht schön aus. Doch das Eingeweide ist ausgeweidet - etwa durch NATO-Überflüge und EU-Mitgliedschaft.
Im Gegensatz zur österreichischen Neutralität weiß man bei den Dörfern Potemkins heute nicht mehr, ob sie tatsächlich existiert haben. Feldmarschall Potemkin soll die prachtvollen Fassaden in die neurussische Pampa gestellt haben, um Katharina der Großen die Herrlichkeit der eigentlich versandelten Gegend vorzutäuschen. Heute sind wir die Zarin und die Neutralität die leere Hülle - ganz egal wie man zu ihr stehen mag, der Begriff verkam einfach zur Attrappe - er ist nun "situationselastisch". Aber wird das je ausgesprochen? Einmal im Jahr, am 26. Oktober, wird die Vokabel hervorgekramt und herumgereicht wie ein Wanderpokal. Obligatorisch die Debatte, ob die Neutralität noch zeitgemäß ist, jeder darf mal zu Wort kommen, hereinspaziert!
Ähnliche Begriffs-Schicksale lassen sich viele aufzählen: Reform, Transparenz, Solidarität, und und und. Alles Worte, die ihre ursprüngliche Bedeutung durch inflationären Missbrauch verloren. Ist die Wahrheit den Menschen doch nicht zumutbar? Müssen wir durch Umwortung manipuliert werden? Verständlich ist dieses NLP-inspirierte Verhalten von Politikern nicht. Gerade an der Wien-Wahl konnten wir sehen, dass auch mitunter vermeintlich unpopuläre Haltungen Erfolge bringen können. Das Stimmvolk dürstet schon nach Aussagen, die etwas aussagen - egal was, Hauptsache nichts Leeres.
Traut euch doch einfach mal, liebe Politiker, etwas auszudrücken. Wir werden zumindest überrascht sein - wenn nicht gar dankbar.