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Der Landbote, der Maschinenraum und zwei Buchtipps

Vor Ort wird "die EU" begreifbarer.

Philipp Hacker-Walton
über Besuche in Brüssel

Es ist eine Wandlung, die man bei nahezu jeder der vielen Besuchergruppen beobachten kann, die nach Brüssel oder Straßburg kommen, um sich "die EU" einmal aus der Nähe anzusehen: Menschen kommen mit einem Bild von "der EU" an - und reisen mit einem anderen wieder ab. Was nicht heißen soll, dass hier pro-europäische Gehirnwäsche betrieben oder ein Kurzbesuch alle Zweifel ausräumen würde. Aber wer sich die Arbeit in den Institutionen einmal vor Ort angesehen hat, hat meist ein differenziertes Bild davon - was in vielen Fällen gleichbedeutend ist mit positiver.

Weil nicht jeder nach Brüssel fahren will oder kann, zwei Buchtipps als Ersatz für einen Lokalaugenschein.

"Im Maschinenraum Europas"

Die SPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament haben sich von Journalistin Heike Hausensteiner begleiten und befragen lassen. Das Ergebnis ist jetzt unter dem Titel "Im Maschinenraum Europas" im Czernin-Verlag erschienen. Ja, da ist nur eine Partei vertreten, und: Ja, da präsentieren sich Politiker, die in ein paar Monaten wieder gewählt werden wollen. Aber lesenswert ist das - trotz SPÖ-Schlagseite - allemal: Weil man einen ganz guten Einblick erhält, was die Abgeordneten eigentlich den ganzen Tag so tun, mit wie vielen Terminen und Themen sie befasst sind, von denen man als Außenstehender nichts ahnen würde. Gut gemacht ist auch der "Faktencheck um Vorurteile und Mythen rund um die EU" - zB die Gurkenkrümmungsverordnung oder das angebliche Verbot der Marillen-Marmelade.

"Der Europäische Landbote"

Schrifsteller Robert Menasse hat den oben beschriebenen Brüssel-Besuchseffekt selbst erlebt - und in seinem Essay "Der Europäische Landbote" festgehalten. Menasse ging für einige Zeit nach Brüssel und erlebte dort, wie es im Buch heißt, "eine Überraschung nach der anderen", zum Beispiel: "Offene Türen und kompetente Informationen, eine schlanke Bürokratie, hochqualifizierte Beamte und funktionale Hierarchien."

In einem Interview mit dem KURIER hat Menasse seine Wandlung so beschrieben: Er habe vor seiner Zeit in Brüssel "Vorurteile, kritische Vorbehalte, Skepsis, wie sie ja viele haben, die sich für die EU interessieren" gehabt. Danach sei die Skepsis nicht weg gewesen, sondern verändert: "Ich kann die Kritik jetzt präziser formulieren. Aus der Ferne sah ich Brüssel als Synonym für die Politik der EU. Als wäre Brüssel ein riesiger Apparat, in dem weltfremde Beamte sich zweifelhafte Dinge ausdenken. Dieses Brüssel existiert nicht."

Das macht das Buch auch interessant: Dass Menasse eben kein Hurra-Europa-Pro-Europäer geworden ist, sondern sich vor Ort ein genaueres Bild gemacht hat.

Zum Beispiel, wie er schreibt, von der Kommission, die ja in der öffentlichen Wahrnehmung selten gut wegkommt: "Man muss sich einmal von den Beamten erzählen lassen, wie es ist, wenn man etwa seit Jahren an Konzepten zur Bewältigung der Haushaltskrise arbeitet und zuschauen muss, wie diese regelmäßig von den Regierungschefs im Rat zurückgeschickt werden, damit diese dann zu Hause ihren Wählern berichten können, was sie alles zur Verteidigung "nationaler Interessen" gegen die "böse EU" durchgesetzt bzw. im Interesse ihrer Wähler verhindert haben."

Was das mit dem im Titel erwähnten Landboten zu tun hat? Das lesen Sie am besten selbst ...

An dieser Stelle gibt es jeden Freitag "Brüssel von Innen" - mit aktuellen europapolitischen Themen und Blicken hinter die Kulissen in Brüssel (und Straßburg und Luxemburg). Ihr Feedback ist ausdrücklich erwünscht - als Kommentar unter den Artikeln, per Email oder auf Twitter (@phackerwalton). Die gesammelten Blogeinträge können Sie hier nachlesen.