Türkische Filme auf Netflix, die man gesehen haben muss
Von Naz Kücüktekin
Die Geschichte des Films in der Türkei geht weit zurück. Bereits 1914 wurde der erste Dokumentarfilm gedreht. Ab den 1940er Jahren etwa etablierte sich eine Spielfilmproduktion, die bis heute andauert.
War die Spielfilmproduktion lange Zeit ein Angebot vor allem für den heimischen Markt, erfreuen sich türkische Filme in den letzten Jahren auch am internationalen Markt immer größerer Beliebtheit. Türkische Produktionen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr bei bekannten Filmfestspielen. Und auch bei den großen Streaminganbietern finden sich immer mehr türkische Filme. Vor allem Netflix setzt auf türkische Produktionen.
Hier ein paar meiner persönlichen Highlights, die man alle auch mit dem deutschen Untertitel sehen kann:
Aşk tesadüfleri sever
2011 kam das Werk von Ömer Faruk Sorak heraus und ist bis heute sicher einer der schönsten romantischen Filme der Türkei. Protagonisten sind Özgur und Deniz, die eine Art Verbindung zueinander zu haben scheinen. Immer wieder laufen sich die beiden über den Weg – als Kinder, als Jugendliche, als Studenten und dann als Erwachsene, wo sich dann auch eine Liebesbeziehung entwickelt. Auf charmante und sehr einfühlsame Weise führt der Film an die Beziehung der beiden heran und klärt mit Rückblenden auf. Die Schauspieler der Hauptcharaktere, beide in der Türkei gefeierte Stars, fügen sich dabei wunderbar ein. Ein Film über zwei Menschen, die Liebe und auch ihre Schwierigkeiten – fernab von Klischees, Übertreibung und einem überraschenden Ende.
Recep Ivedik
Wer Sasha Baron Cone mag, der wird wahrscheinlich auch mit Recep Icedik etwas anfangen können. Der Film beginnt damit, dass Recep İvedik, verkörpert von dem talentierten Schauspieler und Komiker Şahan Gökbakar, auf der Straße bemerkt, wie ein Geschäftsmann seine Brieftasche verliert. Er versucht, ihm den Geldbeutel zurückzugeben, doch der Besitzer fährt schon in seinem Auto weg.
Zu Hause angekommen sieht İvedik den Geschäftsmann, einen reichen Hotelbesitzer aus Antalya, im Fernsehen. Ivedik ist so begeistert von ihm, dass er beschließt, selber nach Antalya zu fahren und ihm die Brieftasche persönlich zurückzugeben. Damit beginnt eine turbulente Reise, die vor allem durch Recep Ivediks exzentrischen Charakter geprägt ist – grob, unhöflich, leicht reizbar, aber dann doch irgendwie liebenswert und raffiniert. Die Figur des Recep Ivedik hat in der Türkei mittlerweile, auch wenn sie teilweise doch kontrovers ist, Kultstatus. Mit der Figur gibt es immerhin sechs Teile – alle wunderbar geeignet, um sich schön seicht unterhalten zu lassen.
Krümme Dinger am Bosporus (Original: Organize İşler)
Eine weitere Komödie, die sich für einen amüsanten Filmabend eignet, ist „Krümme Dinger am Bosporus“ – auch wenn der deutsche Titel etwas hohl wirkt. In der Anfangsszene des Films sieht man, wie sich der erfolglose Komiker Samet in einem Superman-Kostüm umbringen will. Dabei wird er jedoch von Asım, dem Chef einer Istanbuler Autodiebbande, der gerade auf der Flucht ist, gestört. Die Begegnung führt die beiden zusammen und so hält Asım Samet nicht nur davon ab, Suizid zu begehen, sondern überzeugt ihn auch davon, bei seiner Verbrechergruppe mitzumachen. Von da nimmt die Handlung Fahrt auf – ziemlich witzig, mit gekonnten Dialogen und ausgezeichneter Schauspielerei. Weitere Highlights sind zudem die wunderschönen Aufnahmen von Istanbul sowie die Filmmusik von Nil Karaibrahimgil.
Vizontele
Der Erstling des Regisseurs und Schauspielers Yılmaz Erdoğan verarbeitet die Erinnerungen an seine Kindheit, die er in den siebziger Jahren in dem türkischen Dorf Hakkari verbracht hat. So spielt „Vizontele“ in einem kleinen Dorf im Landkreis Gevaş der Provinz Van um 1974. Der von Rest der Welt abgeschottete Ort wird aufgemischt, als ein Fernseher aus Ankara ankommt. Das Gerät sorgt für Aufregung in dem Dorf und wird fälschlicher auch „Vizontele“ statt „Televizion“ (türkisch für Fernseher) genannt. Der Irrtum gibt dem Film seinen Namen, das Gerät bildet den roten Faden der Handlung.
Eine Gefühlsachterbahn beschreibt diesen Film wohl am besten. Man lacht, weint, ärgert sich, wird nachdenklich und fühlt mit den Figuren mit. Daran kommt die Fortsetzung "Vizontele Tuba" leider ganz nicht heran.
Hast du jemals Glühwürmchen gesehen? (Original: Sen Hiç Ateş Böceği Gördün mü?)
Netflix stuft diesen Film als „schrägen türkischen Film“ ein. Ein bisschen schräg ist er wahrscheinlich auch. Aber auf eine schöne und berührende Art, der an den französischen Film „Die wunderbare Welt der Amelie“ erinnert.
Auch bei „Hast du jemals Glühwürmchen gesehen“, ist eine Frau, die „anders“ ist, die Hauptfigur. Gülseren wird im Istanbul der 1940-Jahre geboren. Sie ist hochbegabt, kann vierstellige Zahlen im Kopf multiplizieren, versteht aber nicht immer so recht den Rest der Gesellschaft. Dadurch entstehen nicht nur interessante Dialoge, sondern es wird auch ein Bild der damaligen Türkei abgezeichnet. „Sen Hiç Ateş Böceği Gördün mü?" ist die Verfilmung des 1998 uraufgeführten Theaterstücks. In beiden spielt die großartige Schauspielerin Demet Akbağ die Rolle von Gülseren. Sehr sehenswert.