"Nur nicht Branko..."? Neue Impfkampagne gibt Rätsel auf
Von Mirad Odobašić
Es ist längst kein Geheimnis mehr. Die Menschen mit Migrationshintergrund sind die Impfmuffel der (österreichischen) Nation. Sagt wer? Eigentlich niemand ganz offen heraus, sondern immer zwischen den Zeilen. Es ist eben heikel.
Sündenböcke für bestimmte gesellschaftliche Phänomene hat sich der Mensch immer gerne gesucht. Das hat uns die Geschichte gelehrt. In dieser Pandemie wird es nicht anders sein.
Ein Fakt ist aber: Die Statistiker können die These, die Migranten gäben ihren Oberarm für einen Stich nicht gerne her, nicht belegen. Aus der Impfstatistik lässt sich auch schwer feststellen, ob der geimpfte Österreicher Hans Maier, Zoran Jovanović oder aber Hakan Öztürk heißt. Alle drei genannten Herren haben nämlich eines gemeinsam - einen österreichischen Reisepass.
Nicht von der Hand weisen sollte man dennoch die These, dass die Impfskepsis unter Migranten stärker ausgeprägt ist. Oder doch? Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger räumte im Sommer in einem KURIER-Interview mit dem Vorurteil auf, dass Impfmythen bei Menschen mit Migrationshintergrund stärker vertreten seien. Es gebe keine Daten, die das Belegen würden. "Das Impfvertrauen ist immer auch eine soziale Frage ist. In Österreich verschränkt sich soziale Herkunft stark mit geografischer Herkunft und Migrationshintergrund, aber nicht nur“, sagte Kohlenberger.
Die Suche nach dem wie
Fakt ist aber auch, dass es eine Erhöhung der Impfrate bedarf, will man die Pandemie hinter sich lassen. Da sollte man nichts unversucht lassen, um die Impfskeptiker doch bekehren. Das ist eben das Ziel der Initiative "Österreich impft".
"Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine gemeinsame, überparteiliche Initiative, die transparent und medizinisch fundiert über die Impfung informiert: eine, bei der alle mitmachen können, die mitmachen wollen", heißt es auf der Homepage der Initiative, die es wagt, gezielt Migranten anzusprechen. Und das ist gut so, denn "Diversität muss mit einbezogen werden in die Kampagnen", ist sich auch Kohlenberger im erwähnten Interview sicher gewesen. Ob das mit der neuesten Kampagne gelingt, das wird sich weisen. Eines ist sicher: Sie zieht Aufmerksamkeit - und sorgt für Schmunzeln, aber auch Kopfschütteln.
Branko, der Impfmuffel
In Wien sind seit einigen Tagen Plakate zu sehen, die mit kindlichen Wortspielen Überzeugungsarbeit leisten sollen. Seit Mittwoch macht eben so ein Plakat bei Twitter-Usern die Runde. "Alle gehen in den Club. Nur nicht Branko, sein Impfpass ist blanko", lautet das Wortspiel im Vordergrund eines Bildes, auf dem ein DJ-Pult zu sehen ist. Für die (wohl wenigen), die es nicht wissen: Branko ist ein Name, der für den ex-jugoslawischen Raum typisch ist.
"Ich schwanke bei dieser #Impfkampagne zwischen deppat und genial...", schrieb Presse-Journalist Erich Kocina, der das Foto gepostet hatte. Die Meinungen darunter sind geteilt. Während die einen fleißig weitere Wortspiele verfassen, vermuten die anderen eine Absicht dahinter. "Die Botschaft ist eindeutig: Ausländer sind Impfmuffel! Daher ist so etwas unerträglich!", postete ein User. Ein anderer beschwichtigt: "Also mich holts ab. Hoffe allerdings, es gibt auch Sujets mit Schwabonamen."
Branko = Jochen = Irene
Die gibt es tatsächlich. "Alle gehen in den Club. Nur nicht Jochen, der ist noch nicht gestochen" oder "Alle gehen in den Club. Nur nicht Irene, die sagt Impfen macht Migräne", ist darauf zu lesen.
Vielleicht war der "Wir sind eh immer schuld"-Reflex verfrüht oder unangebracht. Was aber, wenn ein Branko nur das eine Plakat mit seinem Namen sieht? Wie fühlt er sich, wenn er keine Ahnung davon hat, dass auch Irene und Jochen angesprochen sind? Es bleibt zu hoffen, dass die Sprücheklopfer dieser Kampagne auch daran gedacht haben.
Offen bleibt aber vor allem eine andere Frage: Reicht das aus, um die vermeintlich impfunwilligen Mitbürger mit Migrationshintergrund abzuholen?