Diplomatischer Skandal: Kroatiens Premier wollte Bosnien-Präsident nicht treffen
Von Mirad Odobašić
Irgendetwas stimmte nicht auf dem obligatorischen Bild vom Empfang der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die gemeinsam mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte Sarajevo besuchte. Darauf sind nämlich die Deutsche, der Niederländer sowie die drei Mitglieder des bosnisch-herzegowinischen Präsidiums (Željko Komšić, Željka Cvijanović und Denis Bećirović) im Regierungssitz des Balkanstaates zu sehen, hinter ihnen sind aber vier Flaggen aufgestellt: die der EU-, die bosnische, die niederländische - und die kroatische. Was die letztere dort zu suchen hatte, könnte man sich an dieser Stelle fragen.
Zum Glück gibt es da so etwas wie ein Besuchsprotokoll. Dieses verrät, dass der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković am Dienstagmorgen auch als Besucher des bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidiums vorgesehen gewesen war. Plenković ließ das Treffen aber sausen. Der Grund ist der derzeit amtierende Präsident Bosnien-Herzegowinas Željko Komšić (die aus den drei konstituierenden Völkern gewählten Mitglieder rotieren im Vorsitz im Halbjahresrhythmus, Anm.) Das kroatische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums wird von hochrangigen Politikern in Kroatien nicht als "legitimer Vertreter des kroatischen Volkes in Bosnien und Herzegowina" anerkannt. Komšić ist im Gegensatz zu seinen Vorgängern in diesem Amt ein Sozialdemokrat, der sich gegen den Ethnonationalismus stemmt. Kritisiert wird er vor allem von der kroatisch-nationalistischen Partei HDZ, die lieber einen ihrer Parteigänger in dem hohen Amt sehen würde.
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Bosnisches Medium: "Tiefe Respektlosigkeit gegenüber den Institutionen Bosnien und Herzegowinas"
"Mit seiner Entscheidung, zu diesem Treffen nicht zu erscheinen, brachte der Ministerpräsident der Republik Kroatien seine tiefe Respektlosigkeit gegenüber den Institutionen Bosnien und Herzegowinas und seinen rechtmäßig gewählten Beamten zum Ausdruck", schrieb das größte bosnische Onlineportal Klix.ba und erinnerte daran, dass Plenković bereits am Tag zuvor in Sarajevo gelandet war und sich in Folge mit den Delegationen der Islamischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina sowie der Erzdiözese Vrhbosna getroffen hat. Am Abend aß er demnach noch mit der Spitze der HDZ. Am Tag darauf sollte er zusammen mit Ursula von der Leyen und Mark Rutte mit den Mitgliedern der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina über die EU-Annäherung des Beitrittskandidaten reden.
"Allerdings hatte er offenbar nicht damit gerechnet, dass auch Komšić, der in den Tagen zuvor außer Landes war, an seinem Arbeitsplatz sein würde. Als Plenković die Bestätigung erhielt, dass Komšić im Gebäude der BIH-Präsidentschaft sein würde, beschloss er, nicht zu kommen", schreibt Klix.ba.
In einer Presserklärung hielt Plenković fest, dass seine Abwesenheit beim Treffen "nicht zum Ziel hatte, die Institution der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina zu missachten". Vielmehr ging es ihm dabei, um das Problem im Zusammenhang mit der Wahl des kroatischen Mitglieds der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina. "Komšić wurde nicht durch die Mehrheit des kroatischen Volkes gewählt, sondern durch die Stimmen anderer Ethnien. Für die kroatische Regierung ist er Mitglied der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina und vertritt das kroatische Volk, jedoch ohne Legitimität". Er sei jedoch nach Sarajevo gekommen, "um Bosnien und Herzegowina "von ganzem Herzen zu helfen".
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Komšić verglich Plenković mit Putin
Der Kroate wies darauf hin, dass es ihm eine große Freude gewesen sei, sich im Europäischen Parlament dafür einzusetzen, dass Bosnien-Herzegowina den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhält. "Die Kollegen wissen sehr gut, welches Land sich am meisten für die Aufnahme von Verhandlungen mit Bosnien und Herzegowina eingesetzt hat und wer dieses Land vertreten hat - ich war acht Jahre lang Präsident der kroatischen Regierung", sagte Plenković und konnte sich einen Seitenhieb gegen Komšić nicht verkneifen: "Es gibt Gerüchte, dass wir beide ein informelles Treffen hätten. Wäre es dazu gekommen, hätte ich ihn gerne gefragt, warum er von allen Freunden Bosnien-Herzegowinas ausgerechnet mich als Wladimir Putin bezeichnet".
Bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September hatte Komšić den Nachbarländern Kroatien und Serbien vorgeworfen, diese würden sich in die inneren Angelegenheiten seines Landes einmischen. Dabei verglich der Bosnier den kroatischen Ministerpräsidenten mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin, ohne den Namen direkt zu nennen, sich aber deutlich auf Andrej Plenković zu beziehen.