Mehr Platz

Buddhistisches Weihnachten: Mit Baum, aber ohne typischen Stress

Österreich ist ein katholisches Land. Weihnachten ist für die meisten Menschen nicht wegzudenken. Aber nicht für alle. Denn auch Moslems, Juden, Orthodoxe, Buddhistin und viele andere Menschen mit unterschiedlichen Konfessionen leben hierzulande. Mehr Platz hat sich gefragt, wie verbringen die Menschen eigentlich die Feiertage? Steht trotzdem ein geschmückter Baum in ihrem Wohnzimmer? Feiern sie bei Freunden mit? Oder was machen sie sonst zu Weihnachten?

Aus diesem Gedanken ist die Reihe „Weihnachten mal anders“ entstanden. Heute erzählt Thomas M. Fiedler, ehemaliger Vermögensberater, heutiger Meditationslehrer und Vorsitzender der Plattform für Interreligiöse Begegnung, wie er Weihnachten empfindet:

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Der Buddhismus, so wie ich ihn seit rund dreißig Jahren praktiziere, ist keine Glaubensreligion. Er versteht sich als Übungsweg und hat daher in seiner rund 2.500-jährigen Geschichte, egal in welches Land er gekommen ist, auch die jeweilige Kultur und ebenso die von der vorherrschenden Religion geprägten Besonderheiten in den buddhistischen Alltag einfließen lassen. Österreich ist oder war stark von den christlichen Kirchen geprägt, für die Weihnachten, also die „geweihte Nacht“, ein ganz besonderes Fest im Jahreskreis darstellt. Das Fest, ich kenne es ja noch sehr gut aus meiner nicht-buddhistischen Kindheit, war für uns ein Fest der Liebe und der Geschenke, ein Fest der Familie für die Familie.

Nun, meine Frau und ihre beiden Töchter, sie stammen aus China, sind keine Buddhistinnen, aber, wie so viele Chinesen, dem Buddhismus sehr nahestehend. Unser Sohn ist buddhistisch aufgewachsen, und Meditationstage, die ich mehrmals im Jahr leite, sind für ihn Fixtermine, auch unter Verzicht auf ein Treffen mit seinen Freunden. Er ist also im Buddhismus verankert, könnte man sagen – und da gibt es kein Weihnachtsfest.

Und trotzdem oder vielleicht genau deshalb feiern wir Weihnachten, mit Tannenbaum und Kerzen, mit süßem Baumbehang und gemeinsamen Essen. Wir zeigen, dass wir einander lieben, an diesem Tag ein bisschen plakativer als an den meisten anderen Tagen des Jahres. Ein Fest der Familie für die Familie, aber ohne dem so typischen Weihnachtsstress, denn wir müssen nichts besorgen, nirgendwo hin, nichts verschenken, nichts organisieren – wir sind beisammen, glücklich beisammen, das ist das größte Geschenk, also doch auch eine „geweihte Nacht“.