Zu Besuch im neuen Spar im Rothschild-Haus am Schottentor
Von Agnes Preusser
Dass der Bürgermeister extra bei der Eröffnung eines Supermarktes in Wien vorbeischaut, ist eher ungewöhnlich. Trotzdem hat Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag höchstselbst das rote Band des neuen Spar in der Schottengasse 6–8 durchschnitten.
Der Hauptgrund für den hohen Besuch ist, dass sich das Geschäft an einem besonderen Ort eingenistet hat: dem sogenannten Haus am Schottentor.
1912 wurde es als Bank eröffnet, heute ist es eines der letzten größeren jüdischen Gebäude in Wien. Initiiert wurde der Bau von Anselm von Rothschild, Spross der berühmten Bankier-Familie.
Das Prunkgebäude war damals eines der modernsten Bauten in Europa, inklusive zentraler Warmwasserheizung, Rohrpost und einer eigenen Telefonanlage.
Bis 2016 war hier die Bank Austria beheimatet. An der ehemaligen Vorreiterrolle des Gebäudes dürfte sich auch die neue Eigentümerin, die Spar-Gruppe, orientieren.
„So etwas gibt es in dieser Form nirgends in Europa“, sagte Markus Kaser, Vorstand von Spar Österreich. Gemeint ist damit hauptsächlich das historische Ambiente, das großteils erhalten wurde – in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt.
Messing und Marmor
Original Messingbeschläge an den Fenstern und der charakteristische Marmorboden haben Eingang ins Konzept gefunden.
Auch das Oktogon, die achteckige Veranstaltungshalle, hat ihre ursprüngliche Form und Deckengestaltung behalten. Statt Konferenzen gibt es jetzt aber Nahrungsmittel in einer Art „Genusskathedrale“, wie es Kaser nennt.
Im Kassenbereich und im ebenfalls neuen Lokal „Das Mezzanin“ – das erste À-la-carte-Restaurant von Spar – erinnern Schließfächer an die ursprüngliche Nutzung als Bank.
Viele Wiener seien dem Gebäude emotional verbunden, sagt Bürgermeister Ludwig. Deswegen sei er froh über „die Zärtlichkeit“ die im Hinblick auf die historische Bausubstanz an den Tag gelegt wurde.
Spar knüpft damit an einen Trend an, der in Wien eine lange Tradition hat: Lebensmitteleinkauf im Luxus-Ambiente. Aber auch wenn die prachtvollen Säulen am Eingang und die eleganten Marmorböden etwas anderes vermuten lassen, soll sich das neue Spar-Gebäude an jeden Wiener richten, so Spar-Vorstand Kaser.
Die Zielgruppe seien gleichermaßen die Studenten von der nahen Uni als auch die Anwaltskanzleien im Umfeld. Vermutlich finden sich deswegen beim Gemüsestand gewöhnliche Erdäpfel neben Trüffel-Kartoffeln.
Donau-Sushi
Im Sortiment setzt man auf regionale Produkte. Selbst beim abgepackten Sushi gibt es neue Kreationen mit lokalem Fisch, sogenanntes Donau-Sushi.
Bei der Market Kitchen, wie der Stand für warme Speisen hier heißt, bekommt man Fertiges zum Mitnehmen: Bowls, Grillhendl, Pferdeleberkäse.
Und zwei Gerichte, die Szene-Köchin Haya Molcho eigens für das Haus am Schottentor kreiert hat: Hummus mit „Amba-Gemüse“ (also eingelegtem Curry-Gemüse) oder „Hamshuka“ (einer würzigen Fleischmischung).
Während man in den regulären Spar-Filialen vom Bügeleisen bis zum Brettspiel alles findet, hat man im Haus am Schottentor darauf verzichtet. Auf den 1.800 Quadratmetern sind fast nur Lebensmittel zu finden.
Nur auf zwei kleinen Regalen gibt es essenzielle Dinge wie Toilettenpapier oder Zahnpasta.
Original-Rezeption
Kunden von weiter weg will man übrigens auch zum Geld ausgeben animieren: Den Einkauf kann man sich nämlich nach Hause liefern lassen.
Die Zustellung ist in ganz Wien innerhalb von zwei Stunden möglich. Bestellen kann man den Dienst an der noch erhaltenen Original-Rezeption der Bank beim Eingang.
Ausgeliefert wird aber nicht wie einst per Rohrpost – sondern über den Fahrrad-Botendienst Veloce.