Sexistischer Hass im Web: Warum man sich so schwer wehren kann
"Hallo Du bist heute bei mir beim Geschäft vorbei gegangen und hast auf meinen Schwanz geguckt als wolltest du Ihn essen." (sic!)
Diese und andere obszöne private Nachrichten gingen vergangene Woche vom Facebook-Account eines Wiener Lokalbetreibers an Sigi Maurer, ehemalige Wissenschaftssprecherin der Grünen (mehr dazu hier). Sie veröffentlichte die Nachrichten, um sichtbar zu machen, womit viele Frauen im Internet konfrontiert sind. "Es soll ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind“, sagt Maurer. Da die Nachrichten privat an sie geschickt wurden, sind sie strafrechtlich wahrscheinlich nicht relevant. Zwar könnte Maurer zivilrechtlich klagen, würde dann aber das Prozesskostenrisiko tragen.
Die Wiener Journalistin Hanna Herbst berichtete kürzlich auf Twitter von einem ähnlichen Fall. Weil sie seit mehreren Monaten auf Twitter anonym belästigt wird, ging sie zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Eine solche wurde dort gar nichterst aufgenommen. Man kenne sich mit Social Media nicht so gut aus, hieß es, und gab ihr den Rat, den Account, von dem die Nachrichten kommen, zu blockieren.
Weit verbreitet
Eine Umfrage von Amnesty International aus dem Jahr 2017 unter 4000 Frauen in acht Ländern zeigt, dass fast jede vierte Frau Missbrauch und Belästigung in den sozialen Medien erlebt. 41 Prozent der betroffenen Frauen gaben an, sich dadurch schon einmal körperlich bedroht gefühlt zu haben. Dass Hass im Netz für betroffene Frauen eine Belastung darstellt, weiß man bei der Beratungsstelle #GegenHassimNetz, die von der Anti-Rassismus-Organisation ZARA betrieben wird. Seit ihrer Eröffnung im September 2017 gingen diesbezüglich 163 Meldungen ein.
"Es handelt sich um eine Form von Gewalt gegen Frauen mit den Zielen, Angst zu machen, einzuschüchtern bzw. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, aus der öffentlichen Diskussion auszuschließen", sagt Caroline Kerschbaumer, Mitarbeiterin der Beratungsstelle. Häufig handle es sich um sexualisierte Gewalt, teilweise um massive sexuelle Belästigung. Gerade diese Fälle würden einen besonders schambehafteten Bereich betreffen, was viele Betroffene davon abhält, Schritte zu unternehmen.
Dokumentation
Maurer empfiehlt, solche Postings mittels Gedächtnisprotokoll und Screenshots zu dokumentieren. Später könne man entscheiden, was man damit machen will.
Die juristisch und psychosozial geschulten Mitarbeiter der Beratungsstelle prüfen die Nachrichten und besprechen mit der Klientin die weitere Vorgehensweise. Sind sie strafrechtlich relevant, werden sie üblicherweise angezeigt – bei der Polizei oder mittels Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft. Oft handelt es sich um die Tatbestände der Verhetzung, der Beleidigung, um Cybermobbing, Stalking oder gefährliche Drohungen (siehe unten); im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass einmalige – durchaus auch massive – Beleidigungen möglicherweise straffrei sein können, wenn sie in Form einer privaten Nachricht gesendet werden.
Der Wiener Jurist Oliver Scheiber hält die Situation für Opfer für „unzumutbar“. Er plädiert für Meldestellen und kann sich außerdem die Einrichtung einer Ombudsstelle vorstellen, die das Kostenrisiko für zivilrechtliche Klagen trägt.
Wann man wie vorgehen kann
Gesetze. Was als Straftat gilt und wie diese zu ahnden ist, bestimmt das Strafgesetzbuch (StGB).
Der Tatbestand der Beleidigung ist erfüllt, wenn man öffentlich beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit körperlicher Misshandlung bedroht wird. Strafausmaß sind eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder eine Geldstrafe.
Von Stalking spricht man, wenn eine Person beharrlich und über eine längere Zeit verfolgt und in ihrer Lebensführung beeinträchtigt wird. Dazu zählt, wenn jemand wiederholt die persönliche Nähe aufsucht oder mit einem Kommunikationsmittel Kontakt herstellt. Es drohen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Cybermobbing bezeichnet die fortgesetzte Belästigung via Telekommunikation oder mittels eines Computersystems und ist damit eine Form des Stalkings.
Verhetzung findet statt, wenn gegen eine definierte Gruppe oder ein Mitglied dieser aufgrund der Zugehörigkeit gehetzt wird. Das kann durch einen Gewaltaufruf oder durch Verletzung der Menschenwürde geschehen und eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedingen.
Wer gefährlich bedroht, um jemanden in Furcht zu versetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe zu bestrafen.