Leben/Reise

40 Jahre "Last Christmas" in Saas-Fee: Was beim Videodreh in der Schweiz passierte

Hoppelnder Synthesizersound und bimmelnde Schlittenglöckchen: „Last Christmas, I gave you my heart“, schmachtet eine samtene Männerstimme. Ihr Besitzer fährt im Jeep vor, steigt aus mit blond zementierter Föhntolle und Zahnpastalächeln. Winkewinke hoch zu Freunden in quietschbunten, sackartigen Daunenmänteln an einer Gondelbahn. So beginnt das Video zu „Last Christmas“, dem größten Hit des britischen Popduos „Wham!“, veröffentlicht am 15. Dezember 1984.

Heute schaut es Philippe Zurbriggen auf dem iPhone an und lächelt versonnen: „Lackschuhe trug einer von denen, ist beim Aussteigen dauernd in den Schnee geplumpst – leider haben sie’s rausgeschnitten.“ Der 67-jährige Inhaber des Souvenirladens „Woodpecker“ in Saas Fee hatte damals, im November 1984, den einzigen Jeep im Ort und wurde deshalb von der Filmcrew gleich für die ganze Drehwoche gebucht – auch als Chauffeur von George Michael: „Der fläzte seine Füße immer auf das Armaturenbrett und rauchte merkwürdig süße Zigaretten“, raunt Zurbriggen: „Wahrscheinlich hat er mich deshalb morgens beim Abholen nie erkannt …“

Wie viel Saas-Fee steckt im Musikvideo?

Rein in die Gondel, rauf zum Berg geht’s im Video für „Wham!“ und Freunde – zu einem Chalet zwecks Weihnachtsfeier. „Stimmt nicht“, sagt Charly Schmidt, damals Kabinenführer der Bergbahn: „Die Felskinn-Gondel führt auf 3.000 Meter, direkt ins Gletscher-Skigebiet. Chalets gibt’s da oben nicht.“ Dafür aber inzwischen Pisten wie aus dem Straßenatlas: Breite Autobahnen für Genusscarver. Steile, buckelige Abfahrten für Freunde des gepflegten Muskelkaters.

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Oder Tiefschnee-Prärie für Offroader und Skiläufer. Sie müssen aber Geduld haben auf dem Weg dorthin. Nur alle paar Minuten zuckelt eine der zwei Felskinn-Riesengondeln los. An deren Gipfelstation in 2.980 Meter Höhe mutiert man zum Untergrundkämpfer, stapft mit Ski auf der Schulter zu Fuß durch Hunderte Meter lange Felstunnel zur Piste oder zur „Metro Alpin“, einer Art U-Bahn – eröffnet 1984 –, die durch den Berg zum Gletscher auf fast 3.500 Meter führt. Dort laufen die hier noch reichlich vorhandenen Schlepplifte. Für Sessellifte oder Gondelbahnen können oben keine Stützpfeiler verankert werden – sie würden im Gletscher-Eis nicht halten.

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„Unser Ort hat viel Potenzial, aber zu wenig Potenz“, sagt Beat Anthamatten vielsagend. Der Ex-Tourismus-Chef von Saas-Fee, der sich selbst „Tourismus-Provokateur“ nennt, konnte offenbar nicht so schnell verändern, wie er wollte. Ein paar Jahre lang, bis 2019, lockte der Ort mit dem Marketingkonzept der „Freien Ferienrepublik Saas-Fee“ – jeder Gast konnte sich pro forma einbürgern lassen, mit eigenem Pass und augenzwinkernd gewährten „Bürgerrechten“: Essen im wirklich sehenswerten, höchsten Drehrestaurant der Welt, 300 Sonnentage und 42 Wochen Schnee.

Wegen dieser Frau-Holle-Garantie, und damals zehn Zentimeter Neuschnee, kamen „Wham!“ im November 1984 nach Saas-Fee – in einer Stretch-Limousine. „Die haben wir gleich auf den Parkplatz abgeschoben, denn unser Ort war schon damals autofrei“, erzählt Beat Anthamatten. Durch die engen Gassen mit teils jahrhundertealten Holzhäusern surren bis heute nur Elektrobusse und -autos. Einzige Ausnahmen: Krankenwagen und Schneeräumer.

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  • Anreise
    Per Bahn nach Visp (Umstieg in Zürich), dann mit dem Bus nach Saas-Fee
  • Neu und leistbar
    Die Jugendherberge wellnessHostel4000 Saas-Fee bietet Wellness, Hallenbad, Fitnessraum.
  • Weitere Hotels
    – Grand-Hotel Walliserhof, hier wohnten Wham. Zum Jubiläum gibt’s Wham-Drinks und eine Wham-Schnitzeljagd. DZ ab 280 €. walliserhof-saasfee.ch
    – Hotel Marmotte, nettes Service und tolles Abendmenü. DZ ab 190 €
  • 3.500 Meter Seehöhe: Allalin, das höchste Drehrestaurant der Welt, dreht sich einmal um sich selbst in einer Stunde
  • Attraktionen: Gorge Alpine, eine Schlucht-Wanderung von Saas-Fee ins im Tal liegende Saas-Grund. Mit Guide geht’s gesichert über Hängebrücken und eingeklinkt in Seilbahnen in die Tiefe
  • Auskunft Skipass: saas-fee.ch 

Star in dünnen Mokassins

Immerhin, Fünf-Sterne-Luxus konnte Saas-Fee den verwöhnten Popstars damals schon bieten – im kurz zuvor eröffneten „Walliserhof“. George Michael – in dünnen Mokassins statt Winterschuhen eingetroffen – bezog die „Adlerhorst-Suite“ mit eigener Sauna und Whirlpool. An der Rezeption schwärmte die damals 20-jährige Sybille Meyer sofort für den smarten Beau. „Bis ich ihn auf dem Flur traf – ungeschminkt“, erinnert sich die heutige Betreiberin des Hotels „Elite“: Komplett bräunungscremefrei war er dann doch nicht mehr ihr Traumtyp. Andrew Ridgeley, zweiter „Wham“-Mann, wollte im Hotel möglichst weit von George Michael entfernt wohnen.

Gemeinsame Fotos der beiden aus Saas-Fee gibt es nicht. „Die hatten sich zwei Jahre vor der Trennung schon verkracht“, ist sich Anthamatten sicher. Pikant, angesichts der damals zu drehenden Video-Handlung: „Last Christmas“ verschenkte George Michael sein Herz an eine Frau, sie jedoch hat tags drauf schon einen anderen – gespielt von Ridgeley. Mit diesem Lover taucht sie nun – ein Jahr später – zur Gruppenweihnachtsfeier in Saas-Fee auf. Diese Geschichte garantierte im Video reichlich Schmacht- und Schmollblicke, Knistern nicht nur im Kamin, sondern auch zwischen den toupierten Schulterpolster-Schönlingen.

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Gedreht wurde all das vor dem Chalet Schliechten und im Kulturzentrum Steinmatte am Ortsrand. Dorthin kommt, wer auf den Spuren eines anderen Promis wandelt: Literat Carl Zuckmayer lebte seit 1957 hier und wurde nach seinem Tod 1977 mit einem Waldwanderweg geehrt. Der bietet Spaziergängern einen 1a-Panoramablick auf den verschneiten Ort und ist Teil einer kurvigen Rodelstrecke. Doch für die „Wham!“-Crew war die Dorfstraße schon Herausforderung genug: Beim Transport vom Hotel zum Drehort verschwand die Brosche, die George Michael seiner Angebeteten zu „Last Christmas“ schenkte und die im Video groß zu sehen sein sollte. Stefan Zurbriggen fegte und harkte mit fünf Helfern jeden Quadratzentimeter des Weges ab: „Alle im Dorf haben uns ausgelacht, gefunden haben wir die Brosche – angeblich ein Erbstück von George Michaels Oma – nach Stunden vorm Hotel.“ Dort steht seit 2023 eine Skulptur mit dem Konterfei George Michaels.