Leben/Reise

Manhattan: Was sich 2024 am Hudson River verändert hat

New York dehnt sich beständig aus und bleibt doch immer derselbe Ort. Im strengeren Sinn muss man statt „New York“ natürlich „Manhattan“ sagen: Der zungenförmigen Insel, die das Herz der Metropole bildet, sind seit jeher Grenzen der räumlichen Ausdehnung gesetzt. Weil aber zugleich immer neue Menschen versuchten, hier ihre Visionen voranzutreiben, wurden nicht nur die Häuser immer höher, sondern auch die Erinnerungsräume immer tiefer.

Wer die City zu kennen meint, aber nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder nach New York zurückkehrt, empfindet die „alte“ Stadt, mit ihren sandsteingetäfelten Reihenhäusern, der knirschenden U-Bahn und den Wolkenkratzern aus dem frühen 20. Jahrhundert als noch historischer als zuvor: Eine Patina des Nostalgischen hat sich über die Stadt gelegt, angerührt mit den vielen Bildern, die jede Besucherin und jeder Besucher unweigerlich nach New York mitbringt, gespeist von Filmen wie „Frühstück bei Tiffany“ bis zu „Spider-Man“.

Es gibt ein paar Architekturjuwelen, die die Zeitreise ins frühe New York befördern – etwa das Woolworth Building, das wegen seiner gotischen Formensprache als „Kathedrale des Kommerzes“ bekannt ist. In seiner Nähe liegen mehrere öffentliche Gebäude, in die sich zumindest ein Blick werfen lässt: Das „Surrogate’s Courthouse“ mit seiner Lobby ist ein Juwel des sogenannten Beaux-Arts-Stils, das Postgebäude an der Chambers Street sieht aus, als würde Captain America höchstselbst hier Briefe einwerfen.

Zugleich verblüfft es, wie der Erneuerungsdrang das Stadtbild weiter umkrempelt – und was auf dem schmalen Eiland noch alles innerhalb kurzer Zeit gebaut werden kann: Am westlichen Rand Midtowns ist mit den „Hudson Yards“ ein neuer, hochmoderner Wolkenkratzerbezirk entstanden, dessen Terrasse, „Edge“ genannt, weithin sichtbar ist und sich mit anderen Aussichtspunkten wie dem Empire State Building und dem Rockefeller Center mittlerweile einen Wettkampf um die touristische Lufthoheit liefert.

Wirtschaftlich bescherte die Pandemie den Hudson Yards zwar anfänglich einen Rückschlag – mittlerweile ist aber das Geschäft mit Büroflächen wieder angesprungen und die vielen Baustellen im Wolkenkratzerbezirk erzählen nichts davon, dass die Nachfrage abgefallen wäre.

Wer südlich des neuen Viertels den Bezirk Chelsea erkundet, findet nahe dem hoch frequentierten Indoor-Markt und dem auf alten Bahngleisen angelegten High Line-Park auch noch „Little Island“: Milliardär Barry Diller hat es hier geschafft, Manhattan noch etwas Raum abzutrotzen und um 260 Millionen Dollar einen künstlichen Park auf Pfählen in den Hudson River zu bauen.

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Nicht zuletzt wegen solcher begrünten Interventionen ist Manhattan 2024 ein etwas langsamerer und besonnenerer Ort geworden. Einen Beitrag leisten auch die unzähligen Schanigärten, die – zunächst als Notmaßnahme für Restaurants während der Pandemie entwickelt – mit Jahresbeginn in eine stärker reglementierte Form gebracht wurden und nun deutlich mehr Leben auf der Straße stattfinden lassen als zuvor. „Mehr Leben“ bringt auch die stark gestiegene Zahl an Radlern in der City – wobei das Verkehrsverhalten für Fußgänger nicht unbedingt Entspannung bringt.

Viel von New Yorks Unternehmergeist kam zuletzt auch dem Zweck zugute, Raum für Kunst und für die Geschichte der Stadt zu schaffen. Das „9/11 Memorial Museum“ am Ort des einstigen „Ground Zero“ ist wohl buchstäblich der tiefste Erinnerungsraum Manhattans:

Anreise
Mit Austrian oder einer anderen Airline nonstop von Wien nach New York. 
Co2-Kompensation via atmosfair.de: 105 €

Hoteltipp
Das Washington Square Hotel mitten am gleichnamigen Park im  Greenwich Village gelegen, ist ein charmantes, altes Stadthotel  in einer sonst eher von Studenten als Touristen frequentierten Gegend. Gut gelegen für Expeditionen in alle Bezirke Manhattans

Auskunft
nyctourism.com
visitnewyork.com

Zeitreisen

Entlang der Betonschale des 2001 zerstörten World Trade Center sind hier Relikte und Geschichten versammelt, die jedes Detail der Katastrophe ausleuchten – absolut sehenswert, doch in der Bestrebung, jedem Aspekt gerecht zu werden, auch eine massive Überlastung.

Eine leichtfüßigere Expedition in die Geschichte gelingt dem „Lower East Side Tenement Museum“: In einem Haus, das einst tatsächlich ein übervölkerter Wohnblock für Einwanderer („Tenement“) war, wurden einzelne Wohnungen nach historischem Vorbild als sogenannte „period rooms“ gestaltet.

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Nur mit Führung zu begehen, erzählen sie die minutiös recherchierten Geschichten von Menschen, die einst hier oder in der unmittelbaren Nachbarschaft lebten. Die Wohnumstände von Afroamerikanern, osteuropäischen Juden oder Immigranten aus Deutschland wurden teils mit Original-Fundstücken rekonstruiert.

Das „City Reliquary“, den vielleicht charmantesten Erinnerungsort New Yorks, gibt es übrigens noch immer: Auf Privatinitiative gegründet, sammelte man hier über Jahre private Erinnerungsstücke, von Plastikfigürchen der Freiheitsstatue bis zu Soda-Flaschen und kleinen Abbruchstücken ehemals historischer Bauten. Um das winzige, in einem alten Geschäftslokal untergebrachte „Museum“ zu besuchen, muss man allerdings Manhattan verlassen und nach Brooklyn in den Stadtteil Williamsburg fahren – auch ein Grätzel, das sich über die Jahre massiv verändert hat. Es ist eine Geschichte für ein anderes Mal.