Leben/Gesellschaft

Granatapfel: Superfrucht mit Schattenseiten

Sein Gespür für Granatäpfel begann bereits im Schulalter. Da entdeckte Werner Retter die Liebe zu dieser Frucht und hielt Referate darüber. „Der Granatapfel ist sehr faszinierend“, sagt der Fruchtsaftmacher – und macht seine Leidenschaft zum Geschäftsmodell.

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Der Wildgranatapfel

Bekannt wurde der Biolandwirt aus Pöllau als „Hirschbirn-Pionier“, eine alte Wildbirnensorte. Im Jahr 2007 wirkte er bei einem Projekt der ADA-Entwicklungsförderungsgesellschaft in Bosnien-Herzegowina mit, das Ziel: die Wiederansiedlung des Wildgranatapfels. Rund um Mostar hatte die Frucht einst Kultstatus, jedem sein Granatapfelbaum, dann kam der Krieg. Jahre nach Kriegsende erlangte das Projekt „Granatäpfel statt Granaten“ international Aufmerksamkeit, heute sind die örtlichen Bauern wieder stolz auf ihre Ernte. Von der auch Retter profitiert – nicht nur: Er lernte im Rahmen des Projekts viel dazu. In seiner Obstmanufaktur werden 45 verschiedene Produkte aus dem Wildgranatapfel hergestellt, das ist einzigartig. Er exportiert bis nach Asien.

Die Pflanze ist widerstandsfähig und anspruchslos, der Granatapfel gilt als älteste Heilfrucht der Menschheit und Symbol für Fruchtbarkeit, Sinnlichkeit, Schönheit. Punica Granatum (lat.) braucht große Wassermengen bei gleichzeitig hohen Temperaturen. Die Blüten sind trichterförmig, hellrot, manchmal auch weiß oder gelb. „Auf der Insel Java wurden Granatapfelbäume mit schwarzen Blüten entdeckt“, so Retter.

Superfrucht

Kein Supermarktregal mehr ohne jene roten Riesen, die kulinarisch so in Mode gekommen sind. Die schauen hübsch aus, unterscheiden sich aber von den Wildsorten – vor allem in puncto Inhaltsstoffe: „Es gibt über 500 verschiedene Sorten, es gibt gelbe oder rote Granatäpfel. In den Köpfen der Konsumenten sollte ein Granatapfel unbedingt rot sein, die Optik steht im Vordergrund“, sagt Retter. Für ihn zählt aber vielmehr das Innenleben mit dem höchsten Anteil an Wirkstoffen. Da liegen Wildgranatäpfel klar vorne.

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Der Frucht werden Wunderdinge nachgesagt. Ein Glas Granatapfelsaft pro Tag soll etwa die Durchblutung verbessern und Gefäße elastisch halten – mit positiven Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem. Die tiefrot glänzenden Kerne enthalten Polyphenole. Diese wirken antioxidativ – gegen die ungeliebten freien Radikale. Amerikanischen Wissenschaftlern zufolge hätte Granatapfelextrakt außerdem das Potenzial, den Anstieg des prostataspezifischen Antigens PSA (Indikator für Prostatakrebs) zu verlangsamen.

Und erst vor Kurzem berichtete ein internationales Forscherteam aus USA, Indien und Kanada im Fachblatt Nature, dass ein spezieller Stoff, der in Granatäpfeln vorkommt, Entzündungen der Darmschleimhaut entgegenwirkt – zumindest bei Mäusen. „Einzigartig wird der Granatapfel außerdem durch seinen hohen Anteil an Punicinsäure. Sie gehört zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren und besitzt ebenso eine hohe antioxidative Wirkung“, heißt es in Retters Buch „Superfruit Granatapfel“.

Tequila Sunrise

Granatäpfel boomen – die optisch beeindruckenden Kerne peppen viele Gerichte und Salate auf, zieren Frühstücksbrei und Smoothies. „Der Absatz steigt und steigt, das wird zum Rohstoff-Problem“, sagt Retter. Daher ist auch nicht in jeder Flasche, auf der Granatapfelsaft draufsteht, tatsächlich reiner Granatapfel drin, er wird gerne mit anderen Säften gestreckt.

Aus Granatäpfeln wird übrigens Grenadine hergestellt – Hauptbestandteil vieler Cocktails, besonders von Tequila Sunrise. Die Früchte schmecken aber auch als Sirup, Marmelade oder Paste, mit der vor allem Gerichte in Persien und im Mittelmeerraum gewürzt werden.

Und wie erkennen Konsumenten, ob ein Granatapfel reif ist? An der eher unschönen, trockenen, delligen Haut. Nur das „Tranchieren“ des Granatapfels entpuppt sich für manche als Herausforderung. Kenner klopfen die roten Fruchtkerne nach dem Aufbrechen mit einem Löffel heraus.