Zeit mit Freunden - so wichtig wie gesundes Essen und guter Schlaf
Von Ute Brühl
Besonders wenn man frisch verliebt ist, stellt man den Partner oder die Partnerin über alles. Der beste Freund, die beste Freundin muss zurückstehen. Dabei weisen immer mehr Studien darauf hin, dass das Zusammensein mit Freunden für ein gesundes Leben unerlässlich ist - und dass diese für unser Wohlbefinden ebenso wichtig sind wie eine gesunde Ernährung oder ein guter Schlaf.
"Wir hatten schon immer diese Hierarchie der Liebe, bei der die romantische Liebe an der Spitze steht, und die Freundschaft als zweitklassig angesehen wird", sagt die US-Professorin Marisa Franco. "Uns wird ständig suggeriert, dass die romantische Beziehung die einzige ist, die zählt. Aber platonische Liebe übertrumpft die romantische Liebe in vielerlei Hinsicht. Menschen mit starken Freundschaften haben in der Regel eine bessere geistige Gesundheit, und Studien legen nahe, dass sie auch körperlich gesünder sind. Mehr noch: Wer ein großes soziales Netzwerk hat, hat ein deutlich geringeres Risiko frühzeitig zu sterben. Freundschaften senken dieses Risiko stärker als Sport oder Diäten allein.
Weniger Herzinfarkte
So zeigte eine Studie mit 736 schwedischen Männern mittleren Alters, die sechs Jahre lang lief, dass die Existenz eines Lebenspartners keinen Einfluss auf das Risiko eines Herzinfarkts oder einer tödlichen koronaren Herzkrankheit hatte - wohl aber das Vorhandensein von Freunden. Eine australische 10-Jahres-Studie ergab zudem, dass ältere Menschen mit vielen Freunden ein um 22 Prozent geringeres Risiko hatten, frühzeitig zu sterben, als solche mit wenigen Freunden. Ein soziales Netzwerk aus Kindern und Verwandten hatte keinen Einfluss auf die Überlebensrate.
"Wir brauchen eine ganze Gemeinschaft, um uns ganz zu fühlen", sagte Franco. "Der Umgang mit verschiedenen Menschen bringt verschiedene Seiten unserer eigenen Identität zum Vorschein."
Warum Freunde gut sind
Es gibt mehrere Theorien über den Zusammenhang zwischen Freundschaft und Gesundheit. Ein Teil des Effekts könnte darauf zurückzuführen sein, dass es für gesunde Menschen einfacher ist, Freunde zu finden. Ein starkes soziales Netzwerk könnte ein Indikator dafür sein, dass jemand besseren Zugang zu medizinischer Versorgung hat. Und jemand, der mehr Freunde hat, hat vielleicht einfach ein besseres Unterstützungssystem, um zum Arzt gefahren zu werden.
Im Alter nicht einfach
Allerdings wird es im Alter immer schwerer, Freundschaft zu schließen. Warum das so ist, weiß man aus der Soziologie: Es gib nämlich bestimmte Voraussetzungen, die nötig sind, um auf natürlichem Wege Freundschaften zu schließe: "ständige spontane Interaktionen und eine gemeinsame Verletzlichkeit". Als Erwachsene finden wir uns in solchen Situationen schlicht und einfach immer seltener wieder.
Das Problem liegt also häufig darin, dass wir im Erwachsenenalter erwarten, dass wir genauso selbstverständlich und ständig neue Freunde finden wie im Teenageralter. Früher haben wir oft schon nach ein paar Tagen, an denen wir in der Schule nebeneinander saßen, ganz automatisch eine Freundin gewonnen – während wir heute nach einem gemeinsamen Projekt mit einer lieben Kollegin noch nicht zwangsläufig von einer emotionalen Bindung sprechen würden.