Leben/Gesellschaft

"Ich faste, also bin ich" - ein Selbsterfahrungsbericht

Nein, ich bin keine Weglasserin. Ich esse meist, worauf ich Appetit habe. Ich esse gerne.Damit bin ich in meinem Umfeld eine Ausnahme.

„Es liegt im Trend, beim Essen was wegzulassen“, sagte Alexandra Hofer von der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung unlängst zu mir. Der Mensch meidet Zucker, Gluten, Laktose. Das ist wie eine Religion, für die der Psychosomatiker Univ.-Prof. Johann Kinzl einst den Begriff „Foodamentalismus“ prägte. Ich verstehe, wenn jemand ein Nahrungsmittel nicht verträgt – doch viele experimentieren mit dem Weglassen, weil sie andere kennen, die dasselbe tun. Heißt das, dass ich niemals etwas weglasse?

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Nein. Einmal im Jahr faste ich für zwei oder drei Wochen. Genau genommen esse ich ausschließlich „ayurvedisch“, mit kleinen, feinen Portionen – Hülsenfrüchten, warmem Ingwerwasser. Ohne Brot, ohne Alkohol. In dieser Zeit ziehe ich mich vom Alltag zurück und lebe auf niedrigem Tun-Niveau. Ich lese, genieße die Natur, denke nach. Das bringt mich zum Wesentlichen, zu dem, was ich als wichtig empfinde. Die Gedanken werden leicht.

Guter Einstieg

Was hält die Ernährungsexpertin Claudia Nichterl vom Fasten? „In der westlichen Welt erleben wir erstmals eine Zeit, in der wir permanenten Nahrungsüberfluss haben. Es ist normal geworden, viel zu essen, sich aber wenig zu bewegen. Fasten kann ein wunderbarer Einstieg in eine nachhaltige Ernährungsumstellung sein“, sagt sie.

Es führt weiters dazu, dass man sich wieder bewusster mit dem Essen auseinandersetzt und wieder mehr für sich selbst kocht. „Zumindest in den Städten ist die Kultur des Kochens abhanden gekommen. Für sich ein Essen zuzubereiten, hat mit Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu tun.“ Auch die VKI-Ernährungsexpertin Birgit Beck ist überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit dem Fasten dazu führt, dass Menschen mehr darauf achten, was sie essen und so mehr auf den Körper hören.

Stimmt. Als ich erstmals fastete, habe ich mich in Folge intensiv mit meiner Ernährung beschäftigt und gelernt, zu spüren, was mir gut tut. Ich beobachte meinen Körper seither bewusster – selbst, wenn ich zwischendurch was in mich stopfe, wozu ich neige. „Essen ist eng mit Emotionen verknüpft“, sagt Nichterl. Wir essen mehr, wenn wir gestresst, überarbeitet, überfordert oder müde sind. Während und nach einer Fastenzeit wird das bei mir besser, weil ich zur Ruhe komme.

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Gar nichts zu essen oder tagelang von Saft und Suppen zu leben, wäre nichts für mich. Es macht mich alt, müde, leer. Es freut mich, dass das Claudia Nichterl ebenso so sieht: „Man lernt nicht zu essen, wenn man nichts isst.“ Als Ernährungsberaterin nach Traditioneller Chinesischer Medizin steht sie radikalen Fastenkuren skeptisch gegenüber. „Besser ist reduziertes Essen, zwischen 800 und 1000 kcal, mit vielen Nährstoffen. Die braucht der Stoffwechsel, um gut zu funktionieren.“

Jungbrunnen-Effekt

Der Positiv-Effekt des Fastens beruht auf dem Prinzip der Kalorienreduktion. Temporärer Verzicht wirkt sich positiv auf den Stoffwechsel aus und ist damit lebensverlängernd. Ein „Jungbrunnen“. Kann ich das bestätigen? Absolut. Die ersten Fastentage fühle ich mich zwar immer müde, ich schlafe viel. Vermutlich holt sich mein Körper, was er braucht. Am schwierigsten ist für mich der Verzicht auf Brot. Ich liebe Brot so sehr – und abends ein Achterl Wein. Doch der Verzicht lohnt sich.

Danach habe ich mich immer so gefühlt als hätte ich Ballast verloren. Ich schlafe tiefer, wache entspannter auf, bin fröhlicher. Und natürlich ist da weniger Speck an der Taille, wobei ich sowieso nicht dick bin. Der Blick in den Spiegel gab mir aber immer Recht. Die Augen werden klar, das Gesicht wirkt rosig, ich strahle. Übrigens: Ende März ist es so weit: Da bin ich wieder einmal weg.

Service: Die wichtigsten Fastenmethoden

Begriffe wie Fasten und Intervallfasten haben sich etabliert. In den  vergangenen Jahren ist eine Vielzahl von Büchern zum Thema Fasten erschienen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat sich die wichtigsten Methoden angesehen. Eine Übersicht:

  • Intervallfasten: Über mehrere Tage. An fünf Tagen in der Woche wird normal gegessen. An zwei, meist nicht aufeinanderfolgenden Tagen wird die Nahrungsaufnahme deutlich reduziert (max. 500 kcal für Frauen und 600 kcal für Männer). Alternativ zu dieser als 5:2 bekannten Methode gibt es das Modell, einen Tag zu den üblichen Zeiten (morgens, mittags, abends) eine Mahlzeit zu sich zu nehmen und im Anschluss daran 36 Stunden lang zu fasten und mit dem Frühstück am übernächsten Tag wieder mit dem Essen anzufangen (Methode 10in2).
  • Tägliches Intervallfasten: Dabei wird täglich nach einem bestimmten periodischen System gefastet. Verbreitet ist ein Modell, in dem 16 Stunden lang gefastet wird und in den folgenden acht Stunden normal gegessen wird. Bei dieser auch 16:8 genannten Methode verzichtet man entweder auf das Frühstück oder das Abendessen (Dinner Cancelling). Pro Tag werden also nur zwei Hauptmahlzeiten konsumiert. Der Zeitraum des Fastens kann auch auf 16 oder 20 Stunden ausgedehnt werden. In der Extremvariante nimmt man nur eine Mahlzeit am Tag zu sich. An die 16 Stunden Nahrungspause kann man sich auch langsam herantasten, indem man die nächtliche Fastenphase sukzessive ausdehnt.
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  • Scheinfasten: Darunter versteht man eine eiweiß- und kalorienreduzierte Ernährung über mehrere Tage. „Erlaubt“ ist eine tägliche Aufnahme von ca. 700 kcal in Form von Gemüse, Öl (vor allem Olivenöl) und Nüssen.
  • Fasten: Beim Fasten, auch Heilfasten genannt, wird einige Tage (meist eine Woche) lang nur flüssige Nahrung in Form von Wasser, Tee Säften oder Suppen konsumiert.
  • Tipps: Nicht jeder ist für eine Fastenkur geeignet. Vorher sollte man seinen Gesundheitsstatus ärztlich abklären lassen. Eine Medikation muss eventuell angepasst werden. Ad Intervallfasten:  Überlegen Sie gut, welche Methode für Sie am ehesten infrage kommt und sich am besten in Ihren Alltag integrieren lässt.

Info: www.konsument.at

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