Weinblütenwanderung: Blaumachen in den Lutzmannsburger Rieden
Von Kristin Butz
Sehr saftig, fruchtig und jugendlich in der Nase, am Gaumen lebendig. Alles korrekt. Nur optisch passt der Zweigelt „White One“ vom Weingut Prickler nicht in die Rotweinreihe. Er ist transparent, sieht aus wie Leitungswasser. Christian Prickler schmunzelt und schenkt großzügig ein. „Das ist der sogenannte Bürowein“, erklärt der Kellermeister augenzwinkernd – ein Blanc de Noir, bei dem die Trauben direkt nach der Lese gepresst werden. Durch die schonende Kelterung gelangen die Farbstoffe und Tannine der Beerenhaut nicht in den Wein. Daher das überraschend farblose Erscheinungsbild.
Rund um Hütte Nummer vier der Lutzmannsburger Weinblütenwanderung (jedes Jahr kurz vor der Blüte) herrscht großer Besucherandrang. Einige unterhalten sich angeregt mit glühenden Wangen. Andere faulenzen im Liegestuhl, in der Hand ein Glas Blaufränkisch – der wichtigsten Rebsorte hier. Schwungvolle Hintergrundmusik tönt aus den Hütten. Auch ein kurzer Regenguss zwischendurch trübt die Stimmung nicht. Nachdem sich die Wolken verzogen haben, prangt ein Regenbogen am Himmel und die letzten Sonnenstrahlen des Tages erleuchten das Hochplateau am Sonnberg. Abendstimmungskitsch pur.
Auf der gut zwei Kilometer langen, barrierefreien Route kann man sich auf neun Stopps durch die Weine der lokalen Winzerfamilien probieren. Kulinarikstände bieten grenzregionaltypische Schmankerln an, wie würzigen Speck vom Turopoljeschwein, Pressburger Kipferl, Ziegenkäse der Bäuerin Stephanie Biricz und Wildspezialitäten von Familie Schekolin. Die Nacht bricht an, die Stimmung bleibt ausgelassen, bis die letzte Hütte schließt.
Schlafen im Streckhof
In den Weinrieden kehrt Ruhe ein. Es wird Zeit, zum Quartier zu gehen, leicht schaukelnd über die Kirchenstiege, vorbei am Friedhof, talwärts zum Tschardakenhof. In Tschardaken wurden Maiskolben getrocknet und aufbewahrt. Die Geschichte dieses typisch mittelburgenländischen Streckhofs lässt sich bis 1829 zurückverfolgen. Heute wird dort – passend zum feuchtfröhlichen Anlass – im Apartment „Weinkeller“ übernachtet. Der Hof im Ortskern hat eine Bauform, bei der die Wohn-, Stall- und Scheunentrakte nicht getrennt sind. Wieder zum Leben erweckt wurde das denkmalgeschützte Objekt 2021 von Patricia Öhner, die fünf Apartments ausbaute, ohne die alten Strukturen der kleinbäuerlichen Architektur zu verfälschen. Wo einst Pferdestall und Getreidespeicher waren, schläft man nun in der „Viecherei“ und im „Troadkasten“.
Anreise
Regionalbus 7941 ab Wien Hbf. bis Lutzmannsburg oder per Bahn ab Wien Hbf. via Deutschkreutz, oebb.at
Unterkunft
Im Tschardakenhof in Lutzmannsburg
2.035 Hektar
Rebfläche für Blaufränkisch gibt es im Mittelburgenland
Im „Zur Traube“
in Neckenmarkt gibt es pannonische Gerichte wie pikante Strudel, Bohnensterz und Grammelknödel mit Kraut, zurtraube.at
Veranstaltungen
Alle Weinfest-Termine unter: rotweinerlebnis.at
Die Nacht ist kurz, der Hunger groß. In der Früh geht es weiter zum Lutzmannsburger Pfarrstadel, wo Slow-Food-Produzenten beim „Markt der Erde“ ihre regionalen Lebensmittel verkaufen. Gemütlich sitzen Einheimische und Urlauber gemeinsam an langen Holztischen und plaudern über das Fest am Vorabend. Die aufgetischte Hausmannskost wird in der kleinen Küche im Pfarrstadl frisch zubereitet.
Eine Spritztour mit dem Fahrrad von Lutzmannsburg auf die ungarische Seite und zurück tut gut. Der kühle Fahrtwind erlöst vom Schädelweh. Teil zwei der Weinblütenwanderung steht nichts mehr im Weg. Schließlich „muss der alte Wein ja weg“.