„Der ewige Enkel“
Von Barbara Beer
Er ist Enkel. Und er ist so viel mehr. Doch darüber kann Michael Schnitzler, Geiger, Regenwaldretter und Enkel von Arthur Schnitzler, gerade nicht sprechen. Der 77-Jährige liegt nach einem Schlaganfall im Krankenhaus. Seine Biografie, die er gemeinsam mit seiner guten Freundin, der Buchhändlerin Petra Hartlieb geschrieben hat, ist gerade erschienen. „Der Geiger und der Regenwald“ erzählt sein Leben zwischen den Leidenschaften Musik und Naturschutz. Reden kann er vorerst nicht darüber – das tut sie jetzt für ihn. Aber er verfolgt aufmerksam, was darüber veröffentlicht wird. Im Mittelpunkt des Buches: Der „Regenwald der Österreicher“, sein Herzensprojekt.
Der Rettung des Regenwaldes und damit der Artenvielfalt in Costa Rica widmet Schnitzler seit mehr als dreißig Jahren sein Leben. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, das weiß er, bekommt er „wegen dem Opi“.
Doch auch abseits der Verwandtschaft zu dem großem Literaten Arthur Schnitzler lässt einen Michael Schnitzlers Leben staunen. Geboren im Exil, wuchs Schnitzler in Kalifornien auf, kam mit fünfzehn nach Wien, wo sein Vater Heinrich als Theaterregisseur arbeitete. Michael studierte Geige, war langjähriger Konzertmeister der Wiener Symphoniker und gründete das Haydn-Trio, mit dem er um die Welt reiste. Ein erster Besuch in Costa Rica Ende der 1980er in machte Schnitzler zum Umweltaktivisten, der sich für den von Rodung bedrohten Regenwald einsetzt. Insgesamt ein Stoff, aus dem gute Geschichten gewebt sind.
Etwa die von der gestohlenen Geige, einer 300 Jahre alte Guarneri, die er an einen betrügerischen Händler verlor; die vom Klavier, das mitten im Konzert auseinanderbrach oder die vom einbeinigen Schiffskapitän. Und natürlich die Geschichte vom Regenwald, zu dessen Rettung Schnitzler mithilfe von Freunden und Prominenten seit 1991 Grundanteile kauft. Musikerfreunde spendeten großzügig, Claudio Abbado und das Artis-Quartett etwa kauften symbolisch je einen Hektar Regenwald.
Der Nachlass-Krimi Selbstverständlich ist auch Familiengeschichte Thema. Etwa der Krimi um den Nachlass Arthur Schnitzlers, den dessen geschiedene Frau Olga der Universität Cambridge 1938 unter merkwürdigen Umständen überlassen hatte. Sie war allerdings gar nicht verfügungsberechtigt, da der Autor testamentarisch seinen Sohn Heinrich, Michaels Vater, zum einzigen Besitzer ernannt hatte. Die wenig ruhmreiche Geschichte ist heute erledigt, Michael Schnitzler befand schließlich, der Nachlass sei in Cambridge in guten Händen, die Universität entschuldigte sich, es folgte eine offizielle Schenkung. „Das interessiert ihn aber nur am Rande. Am meisten interessiert ihn der Regenwald. Der ist sein Herzensprojekt. Die Geige an den Nagel zu hängen (nach einem ersten Schlaganfall), fiel ihm vergleichsweise leicht. Jeder gerettete Baum ist ihm wichtiger als ein Konzert“, erzählt Petra Hartlieb im Gespräch mit dem KURIER.
Dass Michael seine Lebenserinnerungen gemeinsam mit der Buchhändlerin und Autorin aufschrieb, hat einen besonderen Grund. Hartlieb hat eine historische Romanserie über Wien in den 1920ern geschrieben. Wichtiger Nebendarsteller: Arthur Schnitzler. Und vielleicht ist es kein Zufall, dass sich Hartliebs Buchhandlung in der Nähe der alten Schnitzlervilla im Währinger Cottage-Viertel befindet. Eines Tages, schildert Hartlieb, sei Suse Schnitzler, Michael Schnitzlers Frau, in die Buchhandlung gekommen und habe nach dem neuen Band der Schnitzler-Reihe gefragt. Einer kurzen Plauderei folgte eine Einladung zum Kaffee und die für Hartlieb aufregende Offenbarung, dass der Schnitzler-Enkel Fan ihrer Roman-Reihe ist. „Meine Großmutter haben Sie gut getroffen, ich habe sie genau so in Erinnerung“, gratulierte er ihr. Ein Ritterschlag für die Schnitzler-begeisterte Autorin und der Beginn einer Freundschaft, die bald in den Regenwald und zur Aufzeichnung seiner Biografie führte.
„Der ewige Enkel zu sein, nervt ihn. Andererseits weiß er, dass der Name hilft. Er hat ganz allein sein Regenwaldprojekt aufgezogen. Hieße er Huber-Franzi, wäre das vielleicht weniger gut geglückt. Außerdem hat er dem Enkel-Dasein ein spannendes Leben draufgesetzt.“ Spannend genug, um etliche Medien dafür zu interessieren. Zeitung, Fernsehen, Radio – alle hatten bereits Termine. Und dann kam der Schlaganfall. „Er will, dass wir darüber reden. Dass wir den Leuten erzählen, was los ist. Er kann mit seinen Angehörigen kommunizieren und er nimmt alles wahr. Er wird diese Geschichte lesen.“