Leben/Gesellschaft

Axels Terrasseneintopf: Wenn sich Nachbarn einen Garten teilen

Einen guten Garten erkennt man auch am guten Ton: „Ein Kraut kann kein Unkraut sein. Höchstens etwas, das ich nicht haben will, deswegen nenne ich es Beikraut“, sagt Nina. Sie steht am Hochbeet mit Erdbeerpflanzen und zupft Nicht-Erdbeerpflanzen aus. Es ist eines der Beete im Sophiengarten direkt am Donaukanal, Radler grüßen im Vorbeifahren, die Sonne scheint, Bienen summen, das Wort „Unkraut“ passt hier wirklich nicht her.

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Der Sophiengarten an der Wiener Erdberger Lände ist ein Gemeinschaftsgarten, wie sie seit Jahren in allen großen Städten sprießen. Nina ist eine Mitgründerin und korrigiert wieder: „Wir sagen Nachbarschaftsgarten. Jeder kann gerne bei uns mitmachen.“ (Kontakt: sophiengarten@ googlegroups.com) Es gibt zwei Arten Mitgliedschaften, als passiver Genießer oder als aktiver Gartler.

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Vor zwei Jahren haben Anrainer mit Gartenlust, aber ohne eigenen Balkon, die Idee entwickelt und die Fläche gepachtet. Nun stehen neben den Beeten eine Gerätehütte, eine Laube und ein großer Tisch – für alle Menschen. „Ein Teil des Gartens ist öffentlich zugänglich. So geben wir der Allgemeinheit etwas zurück, schließlich entziehen wir ihr durch die Pacht ja Fläche.“

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Im Unterschied zu anderen Gemeinschaftsprojekten werden im Sophiengarten nicht die einzelnen Beete vermietet, sondern wird alles zusammen gemacht. „Wir planen gemeinsam den Anbau, ernten gemeinsam und sorgen gemeinsam dafür. Hier haben nicht 20 Leute ein Beet, sondern die Gruppe hat 20 Beete.“

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Auch die Erdbeerbeete sind Teil dieser Philosophie. In einem Inklusions-Projekt haben hier Kinder der nahen Volksschule Erdberg und des Blindeninstituts gemeinsam gegartelt – und im Vorjahr große Ernteerfolge bei den Erdbeeren eingefahren.

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An einem derart leidenschaftlichen Ort des Gartelns wird derzeit natürlich intensiv gewerkt. Im mehrstufigen Kräuterbeet setzt Georg gerade Schnittlauch ein – in die mittlere Etage: „Ganz oben haben wir magere Erde für Kräuter wie Rosmarin und Thymian, unten ist die Erde fetter und nährstoffreich.“ Die Sophiengärtner machen sich viel Gedanken zum Thema, jeder bringt Wissen ein, daraus entsteht Großes. Und Praktisches, die Riesen-Kräuter-Schnecke ist eine Kräuter-Ecke. „Weil es einfacher zu bauen ist“, erklärt Nina.

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Im Salatbeet drängt sich ein zartgrüner Aufbruch aus der Erde, ein Mann mit Gärtnerhut gießt. Sein Name ist Hermann: „Wir setzen verschiedene Salate im Mix, um sie auch gemischt zu ernten. Vor allem Asia-Mischungen, da kann man immer Blätter von der Außenseite herauszupfen.“ Um das Gießen kümmere sich immer, wer gerade da ist, und natürlich funktioniert das bestens.

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Anderswo gießt keiner, wenn alle gießen. Aber im Sophiengarten schaut man aufeinander, das spüren auch die Nachbarn, gerade kommt ein Besuch zur Türe herein und setzt sich in die Sonne – er heiße Heinz, nein, er gartle nie, er lese hier einfach gerne Zeitung (tatsächlich den KURIER).

„Der öffentliche Bereich steht 24 Stunden am Tag für alle offen“, sagt Nina. Und sie sagt, dass die Menschen das annehmen. Hier entspannen und herumsitzen.

Dafür sind Balkone ja da.

axel.halbhuber@kurier.at