Kultur

"Zauberflöte": Fantasy-Spektakel der Superlative

Ein Märchen. Nichts anderes als ein optisch überwältigendes Märchen zeigt Intendant und Regisseur David Pountney am Bodensee. Zum letzten Mal hat Pountney, der die Bregenzer Festspiele nach 2014 verlassen wird, am See auch selbst Regie geführt.

Bei einem Werk, das für Tausende Deutungen offen ist: Bei Wolfgang Amadeus MozartsZauberflöte“.

Und was haben Pountney, sein Ausstatter Johan Engels und die Kostümbildnerin Marie-Jeanne Lecca aus diesem Stoff rund um Liebe, Rache, Reinheit und Freimauerei gemacht? Das Richtige! Denn Pountney erzählt ein großes Fantasy-Märchen, unter dessen optischem Glanz aber immer auch Sigmund Freud lauert. So nett sind sie ja auch wieder nicht diese Märchen! Aber kindgerecht erzählt allemal, und mit viel Action.

Pralle Märchenwelt

Johan Engels hat eine Art überdimensionierter Schildkröte als Rundbühne in den See gestellt. Drei riesige, so genannte „Drachenhunde“ – sie speien Feuer – umgeben die Szenerie. Auf der Kröte wuchert der halbe Dschungelbuch-Urwald.

Auf eben einem Schildkröten-Rücken fährt Pamina ganz in Weiß wie eine Art Schneewittchen, im Glaskasten eingesperrt, ein. Prinz Tamino kommt in einer gigantischen goldenen Hand (ein Symbol der Macht Sarastros) daher. Die Schlange rollt sich in den See und mutiert dort zum Monster der Marke Anakonda. Die Damen der Königin der Nacht könnten einem Manga-Comic entsprungen sein, reiten auf Drachen, werden von den jeweiligen Interpretinnen an einem anderen Ort gesungen.

Papagena entschlüpft einem Mega-Ei, Papageno hingegen erlebt wie Bob, der Baumeister, seine Abenteuer. Und selbst Paminas Vater ist präsent: Per Video-Projektion erläutert er, warum er seinen Sonnenkreis ausgerechnet dem Pseudo-Prediger Sarastro hinterlassen hat.

Bilder von der "Zauberflöte"

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Flower Power

Die Witwe und „sternflammende Königin“ selbst – sie wächst auf einem Riesen-Podest über sich selbst hinaus.

Monostatos aber wird von Sarastros Schergen fast zum Krüppel geprügelt und will doch nur die Liebe. Am Ende wird das Böse (Königin? Sarastro?) besiegt. Papageno und Papagena bleiben auf der Insel, während Tamino und Pamina den auf der Zuschauertribüne platzieren „Regenbogenchor“-Chor vokal anführen. Liebe und Licht – das Finale gehört der Hippie-Bewegung mit ihrem Glauben an das Gute im Menschen.

Feuer und Wasser

Das alles ist brillant umgesetzt. Dutzende Stuntmen turnen auf Seilen herum, werfen sich mitunter in den See. Reales Feuer und echtes Wasser (das ist fast logisch!) bei den Prüfungen inklusive.

Pountney setzt buchstäblich Himmel und Hölle in Bewegung, kostet aber die intimen Szenen in einer pausenlosen Strichfassung (Danke!) genussvoll aus. Man wird visuell nicht erschlagen. Und wer will, kann hinter die tolle Optik blicken und sieht vielleicht auch das Drama einer heftig pubertierenden Pamina, in deren Traumwelt sogar die Teeparty aus „Alice im Wunderland“ noch ihren logischen Platz hat.

Und die musikalische Seite? Die kann sich in Bregenz durchaus hören lassen. Vor allem dank der Wiener Symphoniker, die als „Hausorchester“ der Festspiele trotz des zum Schleppen neigenden Dirigenten Patrick Summers Mozarts Welten souverän zum Klingen bringen.

Die Besetzung – es wird stets alterniert – changiert zwischen exzellent und angemessen. Bei der (Regen trübte den Schlussapplaus) Premiere war vor allem Ana Durlovski als Königin der Nacht dank präziser Koloraturen das vokale Maß aller Dinge.

Der Einspringer Norman Reinhardt (für den erkrankten Tenor Rainer Trost) erwies sich als stilsicherer und gut singender Tamino; Gisela Stille ist eine tadellose Pamina mit sehr schöner Sopran-Stimme. Als Papageno ist Daniel Schmutzhard stets eine Bank; seine Papagena findet in Dénise Beck eine sichere Interpretin.

Alfred Reiter als sonorer Sarastro, Eike Wilm Schulte als Sprecher und vor allem der markante Monostatos von Martin Koch runden einen programmierten Hit ab.

Fazit: Ein programmierter Hit

Werk: Mozarts Klassiker „Zauberflöte“ wurde 1791 uraufgeführt.

Umsetzung: Pountney und sein Team zeigen (bis 18. August, nicht täglich) ein buntes, märchenhaftes Fantasy-Spektakel mit viel Raum für Deutungen. Hit-Garantie!

Musik: Die Wiener Symphoniker spielen, die Sänger aber alternieren.

Im Fernsehen: Auf ORF 2 Freitag, ab 21.20 Uhr live-zeitversetzt.

KURIER-Wertung: **** von *****

„Dem Licht entgegen“ – so lautet das Motto der diesjährigen Bregenzer Festspiele. Nach der offiziellen Eröffnung im Festspielhaus möchte man fast hinzufügen: „Der Liebe entgegen“. Denn die Liebe in all ihren Facetten beschwor etwa Kulturministerin Claudia Schmied in ihrer Ansprache.

Ein Ball, den Bundespräsident Heinz Fischer sofort aufnahm. Er eröffnete die inzwischen 68. Ausgabe der Festspiele bewusst „ganz liebevoll“. Aber Fischer mahnte in seiner Ansprache auch die Wahrung der Menschenrechte und jene der Rechtsstaatlichkeit (auch im „Kampf gegen den Terror“) ein. Festspielpräsident Hans-Peter Metzler konnte wieder viele Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kunst begrüßen; ausdrücklich dankte er seinem langjährigen Vorgänger Günter Rhomberg.

Kurze, sympathische Reden – sonst gab die Musik den Ton an. Denn Intendant David Pountney verabreichte auch mit den Wiener Symphonikern und Dirigent Paul Daniel musikalische Appetithäppchen von Mozart bis André Tschaikowsky, dessen Oper „Der Kaufmann von Venedig“ heute, Donnerstag, in Bregenz uraufgeführt wird. Komponisten wie Isidora Zebeljan, Judith Weir und Detlev Glanert steuerten ihrerseits zur Eröffnung gute, kluge Uraufführungen bei.