Wiener Künstlerhaus denkt über Systemrelevanz und Selbstbewusstsein nach
Von Michael Huber
"Ich mache keine Ausstellungen, damit mir meine Kuratorenkolleginnen auf die Schulter klopfen": Wenn in den Köpfen vieler Menschen das Klischeebild eines abgehobenen, seltsam gekleideten und in Rätseln sprechenden Gegenwartskunst-Kurators existiert, dann verkörpert Günther Oberhollenzer so ziemlich das Gegenteil davon. Der gebürtige Südtiroler stellt das Zugängliche in den Mittelpunkt und redet, so scheint's, mit jedem gern: Als langjähriger Kurator der Sammlung Essl in Klosterneuburg und zuletzt der Landesgalerie Niederösterreich realisierte er zahllose Ausstellungen, daneben agierte er als Gastkurator, sprach auf Eröffnungen und veröffentlichte auch noch ein lesenswertes Buch über "Die Liebe zur Kunst".
Nun präsentierte Oberhollenzer seine Pläne für das Wiener Künstlerhaus, dem er seit Oktober des Vorjahres als künstlerischer Leiter vorsteht. Wenig überraschend will er auch hier das Miteinander vor das Trennende stellen: Es gelte, die Institution als "starkes, selbstbewusstes Haus" zu präsentieren und ihm "Sichtbarkeit und Relevanz" zu verleihen.
In der Vergangenheit war dieses Ziel nicht immer einfach zu erreichen gewesen - ist die Trägerinstitution doch ein Verein mit 500 Mitgliedern. Seit 2020 bespielt die Vereinigung im Obergeschoß des renovierten Künstlerhauses, während im Erd- und Untergeschoß die Albertina Modern residiert. Die Idee, dass beides zusammen ein gutes Gesamtpaket ergebe, teile Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder nicht, wie Oberhollenzer diplomatisch ausdrückte - am Weg zu einer gemeinsamen Ticket-Lösung und einem verstärkten Auftreten des Künstlerhauses im Außenraum sind noch einige Fragen ungeklärt.
Sichtbar
Daher soll nun einmal das Programm für sich sprechen: Den Kern bilden dabei drei große Ausstellungen pro Jahr, wobei eine davon Werke der Mitglieder der Vereinigung in einem thematischen Rahmen präsentieren wird - die heurige Ausgabe heißt "Human Nature" und wird ab 15. Juni zu sehen sein.
Im Herbst setzt Oberhollenzer dann selbst ein kuratorisches Statement - ab 4. 10. soll eine Ausstellung mit dem Titel "Systemrelevant" dazu anregen, über den Wert der Kunst in der Gesellschaft nachzudenken, wie es heißt. Der Künstlerhaus-Chefkurator sieht die Schau als Gelegenheit, eine Grundfrage künstlerischen Tuns zu reflektieren, in Folge könnten noch weitere Aspekte in gesonderten Ausstellungen zum Thema werden. 18 Künstlerinnen und Künstler wurden für die Schau ausgewählt, darunter bekannte Namen wie der Otto-Mauer-Preisträger Alfredo Barsuglia oder die Künstlerin Malgorzata Mirga-Tas, die 2022 mit dem Pavillon Polens eines der Highlights der Venedig-Biennale produzierte. Für die Schau gab Oberhollenzer Werke in Auftrag - das Geld sei so besser investiert als in teure Transporte, erklärte er. Überhaupt solle das Künstlerhaus unter seiner Ägide auch den Förder- und Netzwerkgedanken stärker hervorkehren und auch als Interessensvertretung für Künstlerinnen und Künstler agieren.
2024 sollen sich die großen Themenschauen dann mit Feminismus in der Kunst und "Empathie, Engagement und Empörung" auseinandersetzen, die Mitgliederschau steht unter dem Motto "Wunderkammer". Neu ist, dass der "Factory" genannte Raum in einer Mischung aus Kooperation und Vermietung einzelnen Sammlern zur Verfügung gestellt wird: So kommt die Malerin Maria Legat mithilfe ihres Sammlers Johann Zwielitsch schon ab 29. April zu einer Solo-Schau im Künstlerhaus. Der Anwalt Thomas Angermair - er fädelte einst übrigens den Deal ein, der durch die Übertragung der Essl-Sammlung an Hans Peter Haselsteiner die Gläubiger der baumax-Kette besänftigte - zeigt ab 19. 10. Highlights seiner in Insiderkreisen weithin gerühmten Sammlung von Werken Herbert Brandls.