Kultur

ORF-Talk über SPÖ: Wunden lecken mit dem "Doskozil von damals"

(* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*)

Karl Schlögl ist noch bis 6. November für die SPÖ Bürgermeister von Purkersdorf, einer niederösterreichischen Speckgürtelgemeinde im Wienerwald. Dennoch war es keine schlechte Idee, Schlögl am Sonntag bei "Im Zentrum" zum derzeitigen bundespolitischen Thema Nummer eins einzuladen: "Ist die SPÖ noch zu retten?"

Karl Schlögl kennt turbulente Zeiten in der SPÖ. Nach dem Verlust der Kanzlerschaft und der Angelobung der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 war der Ex-Innenminister selbst der Rechtsausleger in einem veritablen Flügelkampf gegen den linksorientierten Caspar Einem um den Parteivorsitz. Oder: "Der Doskozil von damals", wie ORF-Moderatorin Claudia Reiterer den Standard-Journalisten Hans Rauscher zitierte. Lachender Dritter war damals übrigens Alfred Gusenbauer.

Faymanns Ende als "Quell des Übels"

"Heute haben wir nicht diese Situation wie damals", analysierte Schlögl. Vor zwei Jahren, als Werner Faymann "unter denkbar schlechtesten Umständen vor die Tür gesetzt" wurde, sei es hingegen unappetitlich zugegangen, "so behandelt man einen Parteivorsitzenden nicht, wie eine kleine Gruppe innerhalb der Partei Faymann behandelt hat". Schlögl sieht darin die Wurzel des Übels der vergangenen Woche, das habe noch immer nachgewirkt.

Allerdings war ausgerechnet Schlögl einer der wenigen namhaften Genossen, die Kern in letzter Zeit öffentlich in Frage gestellt hatten. "Für mich gibt es auch andere Persönlichkeiten, die die Partei wieder einen könnten – wir brauchen jetzt eine glaubhafte Person an der Spitze", sagte Schlögl Ende Jänner im schauTV-Talk. Die Partei bezeichnete er da als "völlig zerrissen, ich habe die Sozialdemokratie wirklich noch nie in so einem schlechten Zustand gesehen".

Jetzt, nach dem personellen Wechsel, zeigt sich der laut Eigendefinition "bürgerliche Sozialdemokrat" optimistisch. Schlögl hörte sich bei "Im Zentrum" plötzlich wie ein Parteisprecher an, der mit weichgespülten Phrasen gut Wetter machen will.

In der Migrationsfrage habe man nun mit einem konsequenten aber "menschlicheren" Konzept alle parteiinternen Diskussionen beendet, das Thema solle nicht noch einmal eine Nationalratswahl entscheiden. Dass die SPÖ ein "Intrigantenstadl" sei, stellte Schlögl in Abrede. Wenn Kern mehrere Personen im engsten Führungskreis informiere, sei es ein normaler Vorgang, "wenn das Füße bekommt".

Vor einem solchen engsten Führungskreis sollte man sich in Acht nehmen.

Linker und rechter Flügel

Auch gegen den linken Parteiflügel gab es kein böses Wort vom früher als FPÖ-Versteher verschrienen Politiker. "Wenn ein Flügel fehlen würde, würde die SPÖ sehr geschwächt sein", sagte Schlögl unter kräftiger Bemühung des Konjunktivs.

Der linke Flügel war am Sonntag in Person von Julia Herr vertreten. Die SJ-Chefinbegrüßt freilich, dass die 130 Jahre alte Partei nun erstmals von einer Frau geführt wird. Pamela Rendi-Wagner müsse jetzt "die soziale Frage stellen" und diese "mit einer durchgehenden Geschichte verbinden". Die "Verteidigung des Sozialstaats" sei das Gebot der Stunde für die SPÖ, schließlich beginne nun der "heiße Herbst". Beim Migrationsthema gebe es gegen Türkis-Blau (für Herr Schwarz-Blau) ohnehin kaum etwas zu holen.

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Ob Rendi-Wagner nicht bald Klubchefin werden solle, wollte Reiterer wissen, und wen diese dann beerben solle: Klubobmann Kern oder den geschäftsführenden Klubobmann Andreas Schieder?

Die 25-Jährige gab eine sehr alt klingende Antwort: "Diese Frage werden die Gremien entscheiden."

Wobei: Dass die neue Parteichefin schon bald die Klubspitze einnehmen wird, kann nicht als großes politisches Geheimnis gewertet werden. Darauf wies auch Innenpolitik-Journalist Andreas Koller (Salzburger Nachrichten) hin.

Jusos an die Macht?

Koller sprach ein Kern'sches Versäumnis an, das bisher nicht so auf der Tagesordnung aufgeschienen ist. Er habe es nie verstanden, warum Kern nicht eine Juso wie Julia Herr in die Regierung geholt hat, während Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger seiner Partei immerhin einen Staatssekretär Sebastian Kurz hinterlassen habe.

Die direkt angesprochene Jungsozialistin hatte erneut eine ziemlich abgeklärte Antwort parat: Jungsein allein ist noch keine politische Kategorie, wenn die Ideen alt sind, bringe das gar nichts, sagte sie sinngemäß und meinte damit Kurz. "Ich will mich nur dagegen wehren, dass man immer sagt, man braucht eine junge Person. (…) Wenn man junge Leute fordert, müssen das Leute sein, die Sachen neu machen, vielleicht radikaler an die Sache herangehen, die Dinge pointierter ansprechen."

Interessant ist, dass Herr das ausgerechnet dann sagte, als es darum ging, ob junge Leute wie sie nicht eine wichtigere Rolle in der SPÖ spielen sollten. Falsche Bescheidenheit? Vermutlich nicht.

Schlögl wiederum schien dann selbst überrascht, Kern vor Kollers Vorwurf verteidigen zu müssen: Der scheidende Parteichef habe Herr für den ursprünglich mit 6. Oktober angesetzten Parteitag für die Wahl zur stellvertretenden Bundesparteichefin vorgesehen.

Rendi-Wagner keine zweite Wahl

Auch Frau-Sein sei keine politische Kategorie, sagte Herr an anderer Stelle. Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle meinte hingegen, dass Rendi-Wagner auch als Frau durchaus andere Themen setzen könne, etwa in der Frauenpolitik, oder als Gesundheitspolitikerin auch in der Gesundheitspolitik. Oder in der Bildungspolitik. In solchen Bereichen sei Kern zuletzt säumig gewesen, er habe zu sehr "mit seiner Wirtschaftskompetenz" beweisen wollen, dass er doch der bessere Kanzler sei, sagte Stainer-Hämmerle.

Zudem räumte die Politologin mit der mancherorts verbreiteten Behauptung auf, Rendi-Wagner sei nicht die erste Wahl gewesen. Nur weil drei andere mögliche Kandidaten abgelehnt hätten, sage das nichts über eine Reihung aus. Wäre zum Beispiel Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser "übrig geblieben", hätte auch niemand von einem Kandidaten zweiter Wahl gesprochen, argumentierte Stainer-Hämmerle.

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Rotes Durchatmen ohne Bihänder

Diese Ausgabe von "Im Zentrum" stand ganz im Zeichen eines roten Durchatmens. Auch, weil die offensichtlich als Gegenpole eingeladenen Schlögl und Herr partout nicht streiten wollten. Der steirische Landesvorsitzende Michael Schickhofer konnte relativ unbehelligt seinen Optimismus verbreiten. Rendi-Wagner, die er seltsamerweise mehrmals nur mit ihrem Vornamen erwähnte, sei "ein echter Glücksfall, weil sie auch diese verbindende Art hat, alle zusammenzubringen und die Dinge auf den Punkt zu bringen." Die SPÖ müsse jetzt nicht den zuletzt vielzitierten Bihänder bedienen (Reiterer: "Ein Schwert, dass man beidhändig verwenden kann"), sondern eine differenzierte Oppositionspolitik betreiben, "wo man nicht alles schlechtredet".

Dass jetzt auch ein gewisser Durchgriff innerhalb der Partei notwendig sei, erwähnte nur Politologin Stainer-Hämmerle am Rande.

Journalist Koller wünschte Rendi-Wagner lediglich "viel Glück mit den starken Männern". Wenn es keine Querschüsse mehr gebe, "dann kann es gut gehen".

Julia Herr weiß offenbar genau, wer diese starken Männer sind. Als Moderatorin Reiterer fragte, ob nicht Christian Kern und Michael Ludwig der neuen Chefin das Leben schwer machen könnten, besserte die SJ-Chefin im Falle von Kern kurzerhand aus: "Ich glaub', Doskozil war gemeint."