Gottschalk: Literatursendung gegen die „Gesamtverblödung“ im TV
Von Christoph Silber
Die deutschsprachige Literaturszene ist nun um ein unterhaltsames Element reicher: Der BR startet heute, Dienstag (22 Uhr), „Gottschalk liest?“. „Ich nähere mich dem Feuilleton erneut auf Samtpfoten. Ich gebe es ja nicht auf“, meint der Entertainer schmunzelnd im Gespräch mit dem KURIER.
Los geht es in der ersten Sendung mit der österreichischen Autorin und KURIER-Kolumnistin Vea Kaiser („Rückwärtswalzer“), seiner schreibenden Moderatorenkollegin Sarah Kuttner („Kurt“), Star-Fotograf Daniel Biskup („Wendejahre“) und Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach („Kaffee und Zigaretten“). Aufgezeichnet wurde die Gesprächsrunde, die auch auf der BR-Mediathek abrufbar ist, in Augsburg.
„Ich bin ja aufgrund der Gesamtverblödung des Fernsehens geradezu in die kulturelle Ecke geschubst worden, da wollte ich nie hin“, entschuldigte sich der Platin-ROMY-Preisträger bei der Vorstellung der Sendung, die es vier Mal im Jahr geben wird. Trotzdem, der 68-Jährige nimmt das Vorhaben ernst, ernster als manche Show. „Ich habe das erste Mal das Gefühl, ich muss mich vorbereiten.“ Und: „Es wird mir ja wohl niemand unterstellen, dass ich diese Sendung mache, um berühmt oder reich zu werden.“
Lesen lernen
Bücher haben in Gottschalks Leben stets eine große Rolle gespielt. „Die Fantasie wird nirgendwo so angeregt wie beim Lesen – egal, was man heute sonst so treibt mit Kino, Fernsehen, Netflix und weiß der Deibel.“ Aber Lesen sei auch etwas, was man lernen müsse. „Ich habe mich nie vor dicken Schwarten gefürchtet.“ Den jungen Gottschalk hat in Sachen „Steppenwolf“ dann aber doch mehr die gleichnamige Band als jener Hermann Hesses fasziniert, wie er einräumt.
Schon Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki ermutigte „Literaturkaplan“ Gottschalk – die beiden waren einander freundschaftlich verbunden – in der legendären Gesprächssendung „Aus gegebenem Anlass“ (2008), es mit dem ernsteren Fach zu versuchen. „Reich-Ranicki in der Unterhaltung war in etwa so, wie ich es in der Literatur bin: Interessierte Menschen, die sagen, ich bin nicht aus eurem Holze geschnitzt, aber was ihr da treibt, interessiert mich.“ 2017 folgte ein Auftritt im „Literarischen Quartett“ samt Peter Handkes „Die Obstdiebin“.
„Es ist das jetzt aber nicht der Versuch, den Feuilletonisten zu zeigen, wie es geht“, betont der 68-Jährige. „Diese Sendung hat einen völlig anderen Zugang: Der Bildungsbürger Gottschalk, so würde ich mich selbstbewusst nennen, nähert sich dem Thema ‚Lesen‘. Und wenn es mir gelingt, damit der einen oder dem anderen einen neuen Ansatz zu bieten, dann ist das schon was.“
Bunte Anzüge lüften
Gottschalk ist völlig klar, dass er mitunter unterschätzt wird. „Manche denken hier ja, dass ich nur in die Oper gehe, um meine bunten Anzüge zu lüften. In den USA, wo es niemanden interessiert, woher ich komme und was ich mache, nimmt man mich ernst. Ich bin dort im Board der L. A. Opera. Vor ein paar Jahren hat man mich allen Ernstes gefragt, ob ich von Humperdinck ‚Hänsel und Gretel‘ inszenieren würde.“ Er hat dankend abgelehnt. „Denn da reist dann der Opernkritiker der FAZ an und macht sich darüber lustig, wie ich als ‚Inszenierer‘ dilettiere. Aber darauf falle nicht herein. Es geht ja für mich nur mehr darum, mit welchem Gefühl ich abends nach Hause gehen.“
Für den Programmdirektor des BR, den Wiener Reinhard Scolik, ist die Verpflichtung von Thomas Gottschalk ein Coup: „Die Menschen lesen, lesen, lesen – eMails, Nachrichten, soziale Medien – aber Bücher lesen sie leider immer weniger“, sagt Scolik.
„Mit Thomas Gottschalk, dem ‚Literaturneugierigen‘, wie er sich nennt, wollen wir unsere Aufgabe als Kulturvermittler noch verstärken und eine breite Bevölkerung für die Freude am Lesen gewinnen – vor Ort, in den bayerischen Regionen. Wir wollen, dass aus ,Gottschalk liest?‘ ein ‚Bayern liest!‘ wird!“
Wäre für Gottschalk auch ein literarischer Ausflug nach Österreich eine Option?
„Wenn der ORF einsteigt, dann hätte ich auch mal wieder meine Eurovisionshymne – eine Buch-
sendung als Eurovision, das wär’ doch was!“, sagt der 68-Jährige mit breitem Grinsen.