Kultur/Eurovision Song Contest

Song Contest: Unbezahlt und unbezahlbar

Die Polizei-Jacke hat Roman Hahslinger gegen ein T-Shirt in rosa eingetauscht. "May I help you?", steht auf dem Rücken. Helfen kann der hauptberufliche Pressesprecher der Wiener Polizei aktuell hauptsächlich bei Fragen nach dem Weg. Oder auch dann, wenn die Musik im Pressezentrum zu laut ist. Hahslinger ist Volunteer beim Song Contest. Und er ist einer von neun Teamleadern des Pressezentrums.

"Ich bin ein Song-Contest-Fan, ich schaue mir das immer sehr, sehr gerne an. Speziell die Punktevergabe", sagt er. Die Show selbst wird er aber auch diesmal nur über die Fernsehschirme verfolgen können. Obwohl er direkt in der Stadthalle sitzt. Doch er muss mit 800 anderen freiwilligen Volunteers das Werk am Laufen halten. "Aber die Proben habe ich schon verfolgt. Mein Favorit ist Australien." Den Beitrag aus Österreich sieht er im Mittelfeld. "Das Lied muss man öfters hören."

Gleichzeitig sitzt Hahslinger im Krisenstab. Der wird dann aktiv, wenn es aktuell gröbere Probleme gibt. "Wenn es zum Beispiel einen flächendeckenden Stromausfall gibt, eine Krise in einem Teilnehmerland oder wenn sich eine Sängerin ein Bein bricht." Oder auch dann, wenn es Drohungen gegen den Song Contest gibt. "Da gibt es kein Bedrohungsszenario", beruhigt er. Dennoch: Nachdem es bei der deutschen Casting Show "Germanys next Topmodel" eine Bombendrohung gab, sind auch die Song-Contest-Verantwortlichen vorsichtig. "Die Sicherheitsvorkehrungen werden täglich überprüft."

Im Normalfall besteht seine Tätigkeit aber vor allem aus Schleppen und Organisieren. Wenn etwa jeder der 1800 angekündigten Journalisten ein Buch über 60 Jahre Song Contest bekommt. Oder wenn eine CD auf USB-Sticks für alle gebrannt und verteilt werden muss.

Für den Song Contest hat er sich Urlaub genommen. Doch wirklich frei hat der Polizei-Sprecher nicht. "Meine Polizei-Jacke ist immer dabei." Wenn es einen Vorfall gibt, steht er in seiner gewohnten Aufgabe zur Verfügung.

Hinter den Kulissen

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"Erst durch die Freiwilligen wird das Event überhaupt möglich. Ohne unsere Motivation zu dem Ganzen beizutragen, ginge es nicht", ist die Wienerin und Wahlburgenländerin Brigitte Hampel überzeugt. "Wir sind unbezahlt, aber unbezahlbar."

Auch Hampel ist eine der 800 Volunteers, führt als Backstage-Host mit charmantem Lächeln Journalisten und Politiker durch die Stadthalle. 30 Minuten dauert eine Tour, bei der ein Blick hinter die Kulissen des Spektakels gewährt wird.

Dabei verrät Hampel die "Geheimnisse" der Show. Etwa, dass es 2000 Stehplätze nur für eingefleischte Fans gibt, die sich jede Show anschauen. Oder dasss 40.000 Essen gekocht, serviert und verdaut werden. Dass die spektakuläre Bühnenbeleuchtung – das Auge – aus 1300 LED-Pfeilern besteht, die dreidimensionale Videowall 315 misst und rund 30 Kameras auf die Teilnehmer gerichtet sind. "Das ganze ist ein irrer Aufwand. Es sind 400 Trucks mit Ausrüstung gekommen", erzählt Hampel. Flexibilität gehört zum Alltag der Volunteers. Dafür haben sie ein eigenes Handy bekommen, auf das die Verfügbarkeits-Anfragen geschickt werden. Tagesaktuell erfahren die zehn Backstage-Hosts den Terminplan – etwa, wann Proben stattfinden.

Begeisterung

Als die 57-Jährige im Jänner den Casting-Aufruf gehört hat, war klar: Sie muss dabei sein. "Ich bin super gerne Gastgeberin", erklärt sie. "Ich bin so überzeugt von Wien und habe mich derart über Conchitas Sieg gefreut, dass ich mir gedacht habe: Ich bin unentbehrlich."

Den Song-Contest-Einsatz leistet die Wienerin in ihrer Altersteilzeit. "Bei den Volunteers sind Schüler dabei und Pensionisten. Unser ältester ist 82", erzählt Hampel. "Das zeigt, man kann nicht alt werden. Man kann nur die Begeisterungsfähigkeit verlieren." Sogar zwei Freiwillige im Rollstuhl gibt es. 59 Sprachen decken die Volunteers ab. Das Finale selbst will sie auf einer Videowall sehen. Die Eröffnungsshow am Montag durfte sie live erleben. "Es war ein Wahnsinn", schwärmt sie. Conchita und das Kugelballett hätten sie umgehauen. Nun weiß sie umso mehr, wofür sie arbeitet.