Kultur

Schatzsuche im Wohnzimmer

Oft genügt Dimitra Reimüller ein kurzer Blick, um über die Qualität, den Wert eines Bildes Bescheid zu wissen. Für diesen schnellen und meist auch zutreffenden Befund muss die Dorotheum-Expertin nur selten ihre Lupe hervorkramen – geschweige ihre Blaulichtlampe, mit der sie im Zweifelsfall Fälschungen entlarvt.

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Gerhard Jirak begutachtet sie bei der Aktion "Schatz oder Schätzchen?" am Samstagnachmittag im Wiener "MyPlace – Selfstorage" unzählige Gegenstände. Kaum liegt ein Bild vor ihr, wird es auch schon akribisch von allen Seiten begutachtet – stets auf der Suche nach Hinweisen, Übermalungen und der Signatur.

"Kommen Sie näher", fordert Reimüller den Besitzer eines Bildes auf. "Sehen Sie, hier hat der Künstler seinen Namen in die Ölfarbe eingeritzt." Und tatsächlich: Winzig und kaum leserlich wurde Josef Feid eingraviert. "Dieses gut erhaltene Bild aus dem Jahr 1836 würde bei einer Auktion rund 3000 bis 4000 Euro einbringen", informiert die Dorotheum-Expertin den Besitzer. Der 80-jährige Pensionist aus Wien will aber nicht verkaufen: "Ich mag das Bild und werde es an seinen Platz in der Wohnung zurückhängen."

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Liebhaberstücke

Zur neunten Ausgabe von "Schatz oder Schätzchen?" sind rund 150 Menschen gekommen – alle mit einer Frage: Ist das vermeintlich wertvolle Erbstück von der Großmutter ein Fall für den Flohmarkt? Oder entpuppt sich der Kunstdruck als Original, als Sammlerstück, das man für viel Geld verkaufen kann?Fokussiert und souverän beantworten die Experten die Fragen der neugierigen Menschen, die ihre "Schätze" aus dem Wohnzimmer, Kellerabteil oder Dachboden mitgebracht haben. Das Angebot reicht dabei von Bildern, alten Büchern über Statuen, Vasen, Silbergeschirr bis hin zur Schatullen und Teppichen. Ein Laie würde so manches Objekt, das an diesem Nachmittag vorgelegt wird, als Ramsch, Krempel oder gar Schrott bezeichnen. Das würde dem Vollprofi, wie Reimüller einer ist, aber niemals über die Lippen kommen. Sie formuliert es diplomatischer: "Hierbei handelt es sich um ein Dekorationsobjekt."

Hoffnung, Freude und Enttäuschung liegen am Samstag eng beisammen. Während einige mit einem Lächeln im Gesicht den Raum verlassen, sind andere sichtlich geknickt. Die Wahrheit kann eben oft eine Keule sein. Für Reimüller ist es auch nach 25 Jahren Berufserfahrung nicht immer einfach, den Menschen beizubringen, dass ihr vermeintliches Kunstwerk nichts oder nur wenig wert ist. "Dafür braucht man Geduld und die richtigen Worte. Man muss die Kunden langsam an die Wahrheit heranführen, ihnen erklären, warum zum Beispiel dieses Bild heute keinen großen Marktwert mehr hat, obwohl es vielleicht vor Jahrzehnten noch um viel Geld erstanden wurde."

Viele Gegenstände werden von den Experten als wertlos eingestuft oder sind nur schwer und um wenig Geld zu verkaufen. Im Müll landet das Klumpert trotzdem nicht, auch wenn der mitgebrachte Teller nicht aus Silber, sondern aus Messing ist. "Schade, dann stell’ ich ihn halt wieder in die Glasvitrine zurück", sagt eine Dame gelassen.

Am Ende ihres Arbeitstages ist die Expertin Dimitra Reimüller erschöpft: "Schlechte Nachrichten zu überbringen ist anstrengend."