Die neue Buhlschaft: "Wenn ich daran denke, bekomme ich Gänsehaut"
Wie ihre Vorgängerinnen Verena Altenberger und Valerie Pachner ist auch die neue Salzburger Buhlschaft, Deleila Piasko, vor allem aus Film und Fernsehen bekannt. In den vergangenen Jahren hatte sie Hauptrollen in der Netflix-Serie „Transatlantic“ (über einen US-Journalisten, der in den 40er-Jahren Juden bei der Flucht aus Frankreich hilft) und zuletzt in der ZDF-Miniserie „Die Zweiflers“ (über eine jüdische Familie im Frankfurt der Gegenwart). Für Theater war keine Zeit. „Beides lässt sich zeitlich schwer vereinbaren“, sagt sie. „Oft muss man sich entscheiden.“
Die 33-jährige Schweizerin ist Tochter eines Physikers und einer Tänzerin. Sie hat auch selbst getanzt – aber „nur so nebenbei, nie professionell“. Schauspiel studierte sie an der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin, ihr erstes Engagement hatte Piasko in Bern, wo sie 2015 in der Kleist-Adaption „Das Erdbeben von Chili“ von dem für seine strengen, chorischen Inszenierungen bekannten Ulrich Rasche mitspielte.
„Das war für mich eine ganz wichtige Arbeit, da habe ich mich als Schauspielerin noch einmal ganz anders kennengelernt“, sagt sie. „In der Inszenierung ging es darum, allein durch Sprache ein Szenario und Bilder zu erschaffen, die sich auch auf das Publikum übertragen.“ In Bern war sie auch an der zum Berliner Theatertreffen eingeladenen Stückentwicklung „Die Vernichtung“ beteiligt, für die Regisseur Ersan Mondtag gemeinsam mit der Autorin Olga Bach und dem Ensemble ein abgründiges Idyll kreierte. „Auch das war eine ganz besondere Arbeit, die mich geprägt hat“, sagt Piasko.
„Mein Bühnencomeback“
Nach Bern wechselte sie zuerst nach Dresden und 2019 dann ans Burgtheater, wo Martin Kušej gerade als Direktor anfing. Dass sie an der Burg kaum gespielt hat und bald wieder weg war, hatte einerseits mit Corona zu tun („Da sind viele Sachen ins Wasser gefallen“) und andererseits eben damit, dass sie viel gedreht hat. „Die Buhlschaft ist mein Bühnencomeback, sage ich jetzt immer.“
Wie wichtig der „Jedermann“ in Österreich ist, wurde ihr in ihrer Zeit am Burgtheater klar. „Man war schon sehr gespannt: Wer ist der neue Jedermann, wer die Buhlschaft? Erst da wurde mir bewusst, was für eine Relevanz das hier hat, wie sehr dieses Stück bzw. diese Aufführung in der Gesellschaft verankert ist.“ Live hat sie den „Jedermann“ 2020 einmal gesehen, mit Caroline Peters und Tobias Moretti. „Wenn ich jetzt daran denke, bekomme ich schon Gänsehaut, dass ich das jetzt selber auf dieser Bühne spielen darf.“
Als die Anfrage kam, hat Piasko jedenfalls nicht lang überlegt. „Ich dachte mir: Das will ich mir nicht entgehen lassen!“ Dass die Rolle der Buhlschaft mit ihren gerade einmal 50 Zeilen viel kleiner ist als ihr Ruf, ist ihr bewusst. Sie nimmt es aber gelassen.
„Ich konzentriere mich einfach auf die Habenseite“, sagt sie. „Und ehrlich gesagt, sind es ganz andere Fragen, die mich beschäftigen: Was ist das für eine Beziehung? Wie bewegt man sich neben einem männlichen Kollegen, der so viel mehr Text hat? Wie kann ich mich nonverbal ausdrücken?“
Mehr als eine Rolle
Wer die Buhlschaft spielt, übernimmt nicht nur eine Rolle in einem Stück. Die mehr als 100 Jahre Aufführungsgeschichte und all die mehr oder weniger berühmten Schauspielerinnen, die die Buhlschaft schon verkörpert haben, spielen mit. „Man kann dieses Stück nicht aus der Tradition herausnehmen“, sagt Piasko. „Das ist ja die Besonderheit dieses Stücks, dass es seit 100 Jahren aufgeführt wird. Darin liegen auch die Herausforderung und der Reiz. Und dadurch, dass man immer einen neuen Zugang finden muss, entsteht auch so eine Art Zeitreise.“
Sie habe einmal eine Dokumentation gesehen, erzählt sie, in der das Stück aus Inszenierungen quer durch die Jahrzehnte zusammengeschnitten wurde. Das fand sie faszinierend. Man hört heraus, dass sie Lust hat, bald selbst ein Schnipsel in der unendlichen „Jedermann“-Collage zu sein.