Reportage aus Brüssel: Suche nach dem Urheberrechts-Kompromiss
Von Barbara Wimmer
Strenge Sicherheitskontrollen schirmten das EU-Parlament von der Außenwelt ab. Einmal drin angekommen, roch es ein wenig nach neu gestrichenen Wänden. Wir machten uns auf den Weg in Saal ASP7F387.
Dort warteten wir auf den 55-jährigen CDU-Politiker Axel Voss, der die Position des EU-Parlaments federführend ausverhandelt hat, sowie die 32-jährige Piraten-Abgeordnete Julia Reda, mit der Voss einen Kompromiss der Fraktionen suchen sollte.
Der eine will eine faire Vergütung für Urheber erreichen, die andere die Umsetzung des umstrittenen Artikels 13 verhindern. Die Fronten sind verhärtet.
Off the records
Dennoch nahmen sich beide wenige Tage vor der wichtigen Abstimmung über die Urheberrechtsrichtlinie in Brüssel Zeit, um ihre Positionen mit den führenden Digital-Journalisten zu erörtern. Off the records, versteht sich. Zu viele Statements seien „aus dem Kontext gegriffen“ worden, erklärte der CDU-Politiker im Anschluss des Gesprächs auf die Frage, ob man einzelne Zitate freigeben lassen könnte, um als Journalist seinen Auftrag zu erfüllen und die Öffentlichkeit zu informieren.
Am Folgetag beschwerte er sich in einer öffentlichen Pressekonferenz, dass sich die Debatte „immer wieder um Artikel 13“, drehen würde. Beim Gespräch in Brüssel versuchte er das Thema gar zu vermeiden – was ihm nicht gelang. Immer wieder ging es zurück zu der Frage, wie der Gesetzestext in der Praxis technisch umgesetzt werden könne. Voss verwies mehrfach darauf, dass er über keine technische Expertise verfüge. Er machte dabei auch einen Vergleich mit Autoherstellern, denen er auch nicht vorschreiben würde, wie der Motor auszusehen habe.
Seine Position zur Reform ist klar: Voss geht davon aus, dass nur große Plattformen wie YouTube tatsächlich technische Maßnahmen einsetzen müssen, um das Hochladen von geschützten Inhalten zu verhindern. „Der Sinn und Zweck von Artikel 13 ist, Online-Plattformen zu einer Lizenzierung zu führen, um fairer zu vergüten.“
Oft genug war ihm vorgeworfen worden, das Internet nicht zu verstehen. Dieser Eindruck bestätigte sich bei unserem Gespräch, ohne auf die Inhalte näher eingehen zu dürfen.
Piratin
Die Piraten-Abgeordnete Julia Reda entgegnete ihm: „Wir sind alle Urheberinnen und Urheber. Jeder, der ein Smartphone hat, ist Rechteinhaber der Fotos und Selfies. Es ist völlig unmöglich, dass alle Plattformen mit jedem von uns Lizenzen abschließen, um unsere Inhalte zu nutzen“, sagte Reda.
Die Urheberrechtsreform habe deshalb verabsäumt, sich an das 21. Jahrhundert anzupassen. Zwar seien Satire, Parodien und sogenannte Internet-Memes sowie Zitate in der Urheberrechtsreform ausgenommen, damit Nutzer in ihrer Kreativität nicht eingeschränkt werden, betonte Reda. „Aber hier wird den Plattformen etwas abverlangt, was technisch gar nicht möglich ist. KI-Experten sagen, dass eine solche Technologie noch gar nicht existiert, die das erkennen kann.“
Reda erzählte zudem, wie sie selbst im Laufe des Gesetzesprozesses miterlebt habe, wie die umstrittenen Upload-Filter Wort für Wort aus dem Gesetzestext geflogen waren. „Das Wort steht jetzt nicht mehr im Text, sondern wurde durch Euphemismen ersetzt. Statt dem Wort Technologie wird etwa das Wort Mittel verwendet. Aber Fakt ist: Ohne Upload-Filter ist eine Umsetzung technisch nicht möglich.“